Caméléon, 1538 m

Standard-Bergwanderung im wildesten Gebirge Madagaskars.

Andringitra-Gebirge, Provinz Fianarantsoa, Andonaka, Madagaskar.

ÜbersichtKarte UmgebungSkizze CaméléonWillkommensplakat am Camp; links der gewaltigen Tsaranoro-Wände ...... steht unser erstes Ziel im Andringitra-Gebirge: das Caméléon, hier mit seiner Nordwestwand

Vom Isalo-Nationalpark fahren wir die N7 über Ihosy (sprich: i-jusch) weiter gegen Nordosten und erreichen schließlich auf einer 30 km langen, ziemlich schlechten Piste über Vohitsaoka das kleine Dorf Andonaka. Das gastliche Camp Catta liegt etwas erhöht gleich dahinter und beherbergt uns wieder einmal in den typischen Bungalows, wo es an Haustieren nicht mangelt – einer charmant-frechen Affenbande von Ringtails (Kattas). Obwohl der unwiderstehliche Blickfang der Tsaranoro-Wände wie auch unser Caméléon und das Camp selbst außerhalb des Nationalparks liegen, ist auch hier für alle Unternehmungen, die über einen Spaziergang hinausgehen, ein Führer („eigentlich“) obligatorisch.
Der seit 1999 bestehende Andringitra-Nationalpark umfasst eine Fläche von gut 300 km² und liegt noch etwas weiter südöstlich. Höchster Punkt dort ist der Pic Imarivolanitra (Boby), 2658 m, der zweithöchste Gipfel Madagaskars, dessen Ersteigung aber kaum an einem Tag zu bewerkstelligen ist. Die eindrucksvollen Berggestalten stammen aus dem Präkambrium und haben vulkanischen Ursprung. Wie fast alle Parks auf der Insel findet sich auch hier eine außergewöhnlich hohe Biodiversität: etwa 50 Säugetier-, über 100 Vogel- und etwa 1000 Pflanzenarten, die meisten davon kommen ausschließlich auf Madagaskar vor.
Zwei der 18 Volksstämme teilen sich das Gebiet: Im Süden leben die spontan-draufgängerischen Bara, welche bis vor nicht allzu langer Zeit als berüchtigte Viehdiebe galten. Da ein junger Mann ohne höchstpersönlich geraubter Zebus nichts galt und auch keine Aussicht auf eine Frau hatte, waren gewalttätige Auseinandersetzungen besonders im Grenzgebiet zu den eher friedliebenden Betsileo an der Tagesordnung.

Unser junger Führer erzählt uns am Caméléon von einem bewaffneten Raubüberfall auf sein Dorf, der noch kaum 20 Jahre zurückliegt. Emmanuel hat noch heute Albträume aus dem Vorfall, der sich praktisch uns zu Füßen abgespielt hat und bei dem ihn sein größerer Bruder in heller Panik auf der Flucht vor den Räubern in den Wald zerrte. Der Angriff konnte damals nur mithilfe eines zugereisten Franzosen abgeschlagen werden, der über die effektivere Schusswaffe verfügte und seinen Nachbarn zu Hilfe eilte. Man schaltete anschließend Polizei und Militär ein, um den Chef der Bande ausfindig zu machen. Nachdem alle Bewohner der umliegenden Dörfer einhellig einen Haupttäter benannt hatten, wurde dieser unsanft ins Betsileodorf verfrachtet und sogleich am Dorfplatz erschossen. Begründung: Im Gefängnis hätte sich der Delinquent aufgrund seines bislang angehäuften Reichtums (ein Zebu entspricht etwa einem durchschnittlichen Jahresverdienst) innerhalb kürzester Zeit durch Bestechung freigekauft und das Spiel hätte von Neuem begonnen.

Auf dem Rückweg ins Camp zeigt uns Emmanuel eine makabre Gedenkstätte zur Abschreckung der räuberischen Nachbarn (s. Bildteil).
Das „Führerwesen“ im Dorf wäre durchaus anfechtbar, ist aber gut organisiert und insgesamt positiv zu sehen, sowohl für Touristen als auch für die Dorfbewohner. Die Preise sind keinesfalls zu hoch angesetzt, der Erlös wird nach einem sinnvollen Schlüssel an die Gemeinschaft verteilt. Emmanuel erhält die Hälfte des Führerhonorars, der Führer-Anwärter als Lehrling 10%, der Rest fällt dem Dorf zu. Emmanuel würde liebend gern eine Saison lang auf einer österreichischen Berghütte für seine Heimat Erfahrungen als Wirt und Führer sammeln. Wir haben uns zu Hause diesbezüglich erkundigt, trotz des Bedarfs an Kräften erscheinen die für unsere Hüttenwirte anfallenden bürokratischen Hürden leider derzeit noch zu aufwendig.
Am Abend hat uns Emmanuels Mama in ihrem Haus hervorragend bekocht. Nachdem wir heute den lokalen Gebräuchen Folge geleistet haben, möchten wir morgen in aller Früh ins große Gebirg allein losziehen. So sind wir’s gewohnt, und so wird es auch stillschweigend geduldet, wenn man es nicht an die große Glocke hängt; die extremen Kletterrouten des Gebiets werden ja auch ohne einheimischen Führer gemacht. Bis dato existieren keine genauen Karten oder verlässliche Führerliteratur, was führerloses Gehen einerseits sehr abenteuerlich macht, andererseits aber auch die Erfolgsquote empfindlich senken kann. Die Rückseite des Tsaranoro ist nämlich auch nicht gerade zahm …
Nächste Tour: Tsaranoro. Grand Tour auf und um die imposantesten madagassischen Kletterwände.
Weitere Touren auf Madagaskar im Anhang unseres Artikels über Antsirabe.

 zu Beginn ein paar Eindrücke von der Fahrt zwischen Isalo- und Andringitra-Nationalpark: Markttag auf der großen Ebene östlich von Ranohiraimmer weiter schraubt sich die N7 hinauf ins Hochland; im nächsten Talkessel das Städtchen Ihosy (sprich: i-jusch)reger Betrieb in den Straßen von Ihosyunser Fahrer-Freund Adolphe nutzt die Gelegenheit, den von der letzten Woche auf den wilden Pisten des Südwestens in Mitleidenschaft gezogenen Luftfilter zu reinigendirekt neben der Nationalstraße: völlig unerschlossene Gipfel, hier der Ifandana, ...... dessen Ostwand sofort den Blick jedes Kletterers magisch anzieht; Aspiranten müssten sich auf ein Freilager einstellen, da es zurzeit noch weit und breit keine adäquate Unterkunftsmöglichkeit gibtdie Landschaft wird immer abwechslungsreicher, ...... die Gipfel immer einladenderein Stück hinter Ankaramena verlassen wir die N7 und kurven auf einer abenteuerlichen Piste ...... unserem Tagesziel entgegen: dem Andringitra-Gebirge; morgen geht's aufs Caméléon (links), übermorgen in die großartige Tsaranoro-Kette, das Camp Catta liegt in der Senke dazwischenin den bis zu 800 m hohen Wänden des Tsaranoro und seiner Trabanten gibt es bislang gut drei Dutzend gebohrte Kletterrouten zwischen 5c und 8b mit maximal 20 Seillängendas gemütliche Camp Catta ist auch für einen längere Aufenthalt bestens geeignet, ...... wir sind in einem kleinen Häuschen mit eigenem Oberstock für Ronja untergebrachtvom Eingang sehen wir direkt aufs Caméléon hinüber, das wir morgen von links nach rechts überschreiten werdenRonjas Reich im Oberstockauch ein Schwimmteich steht zur Verfügung ...... mit Blick auf die gegenüberliegende Talseite mit dem beherrschenden Dondy, an dem ebenfalls mehrere Kletterrouten mit bis zu 23 Seillängen wartenbald machen wir mit einer herzigen Affenbande Bekanntschaft, welche die Neugierde ...... schon nach kurzer Zeit vor unsere Fenster treibtist das für mich?schade! - Mal hinten vorbeischleichen und schaun, ...... ob's drinnen was zu futtern gibt!der Katta verdrückt eine Banane nach der anderen, ...... aber ins Bett kommt er uns nicht!das Fressgelage spricht sich in Windeseile herum und in Kürze ...... sind wir umzingelt von RingschwanzlemurenRundblick von der Eingangstür unseres Häuschens: der Dondy, 2195m, ist der höchste Kletterberg auf der anderen Talseitegleich rechts davon zieht das Tal weiter hinein in Richtung Nationalpark - alpines Potential ohne Endenoch weiter rechts unser Ziel für nächsten Tag mit Nordkante und Nordwestwand; das Camp Catta liegt in einem Ausläufer des „Heiligen Waldes“bergseitig überm Camp zum Greifen nahe die Tsaranorowände, hier bei Sonnenaufgangnach dem Frühstück steigen wir kurz hinab nach Andonaka und in wenigen Minuten zum nächsten Weiler: Soavahiny an der Nordostseite des Caméléon; den Aufstieg nehmen wir über die mäßig geneigte Flanke in den Ostsattel und weiter über den Südgrat zum Gipfeldie Dorfschönen lassen sich gern ablichten und bestaunen sich begeistert auf den Bildernunser junger Führer (hinten in Blau), der hervorragend Englisch spricht, hat einen Lehrling mitgebracht; die Nationalparkranger Madagaskars verstehen es, ihr erstaunlich gutes Wissen gekonnt weiterzuvermittelnChamäleon am Aufstieg ...... und sein steinerner großer Bruder hoch über unsrechts die Nordkante, links der Südgrat; den Gipfelblock bildet tatsächlich ein gewaltiger Steinquader ...... in Form eines Chamäleons, der Kopf ist durch eine Kluft vom Rumpf getrenntvom höchsten Punkt links außerhalb des Bildrandes kann man an einer geneigten Kante zur tiefen Scharte abklettern und anschließend mit Sprung die Spitze der runden Felskugel am Kopf erreichenim oberen Teil steilt die Flanke etwas auf, ...... dann ist der Ostsattel erreicht; der Lehrling ist in Flip-Flops unterwegs, Turnschuhe sind erst als ausgebildeter Führer leistbarvom Sattel entlang einer Felswand hinüber ...... auf den Südkamm und über ihn ...... zum Gipfel des CaméléonGipfelblick gegen Westen: ganz links der Mitsinjoarivo, durchs enge Kar daneben werden wir morgen ansteigen, dann Gr. und Kl. Tsaranoro, Karambony und hinten rechts die Lemur Wall; in diesen Wänden gibt es zurzeit etwa drei Dutzend Routenum auf den Kopf des Chamäleons zu gelangen steigt man am flachen Felsrücken einige Meter bis zum Abbruch weiter, ...... dann klettert man an der rechten Kante in die Scharte des Kragenspalts ab; links einige Meter empor und über eine Sprungstelle ...... auf die runde Felskugel am Kopf des Caméléondie Kopfkugel vom höchsten Punkt gesehenhinter der Kugel kann man noch ein Stück in Richtung Nasenspitze runterBlick vom Kopf hinüber zum Gipfel; den Abstieg nehmen wir rechts hinunter ...... ins Land der Bara, dem als Viehdiebweltmeister bekannten Nachbarstamm der Betsileo - siehe die Kindheitserlebnisse von Emmanuel im Textbeim Abstieg passieren wir einen Viehpferch für die Zebus der Betsileo ...... mit angeschlossener Hirtenunterkunft, ...... welche auch heute noch in Verwendung istetwas weiter unten der breite Grenzsattel zwischen den Stammesgebieten, wo wir einen scharfen Haken nach rechts schlagen, ...... um unter den Westwänden unseres Berges wieder zum Camp zurückzugelangenauf der anderen Talseite die 450 m hohen Wände des Karambony (5 Routen zwischen 6a und 7b+)an einem Pool am Rand des Heiligen Waldes ...... findet soeben ein Ausbildungslehrgang für künftige Nationalpark-Ranger stattein französisches Kletterpärchen im Nordpfeiler (7a) des Caméléonunter einem Felsblock am Wegesrand ...... haben die Betsileo zur makabren Abschreckung vor weiteren Überfällen zwei Schädel der räuberischen Bara zur Schau gestellt. Die Botschaft: Das passiert, wenn ihr's noch einmal versucht!zwei Wegebauer beim Knochenjob mit einem primitiven Handbohrmeissel; darüber der Gr. Tsaranorokurz darauf betreten wir den „Heiligen Wald“ - das Camp ist nicht mehr weitauf einer kleinen Lichtung fertigt ein alter Mann Tag für Tag seine Schnüre aus Pflanzenfasernzurück im Camp wird uns sogleich ein kühles THB (Three Horses Beer) serviert, Madagaskars wohlschmeckendes Nationalgetränk, geschmacklich eng verwandt mit dem Lienzer „Falkensteiner“am Abend marschieren wir noch einmal hinunter nach Andonaka, dem Heimatdorf unseres Guides; hier ist die Welt noch in Ordnung, allabendlich trifft sich die Dorfgemeinschaft bei einem Imbiss zum PlaudernEmmanuel hat uns in sein Elternhaus am Fuß des Caméléon eingeladender hauseigene Backofen mit den Tsaranoro-Wänden, auf die wir morgen zu einer Erkundungstour aufbrechen werdendas Klohäuschen mit dem Dondy auf der anderen Talseitedie Familie unseres Führers gehört zu den wohlhabenderen des Dorfes, wir werden ins Wohnzimmer geladen, welches blitzsauber ist, obwohl es ständig von allerlei Haustieren frequentiert wirdEmmanuels Mutter und Großmama zaubern für uns mit wirklich einfachsten Mitteln ...... ein hervorragendes Abendessen auf den Tisch
(21. 08.2025)

Literatur: Hooge: Madagaskar. Reise-Taschenbuch. Ostfildern: DuMont Reiseverlag 2023.

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