Traunstein, 1691 m. Zirla, 2
Geheimpfad auf den „Torwächter des Salzkammergutes“.
Oberösterreichische Voralpen, Salzkammergut, Gmunden. Aufstieg 1300 Hm.
P 500 m südl. des Gasthof Hoisn am Traunsee-Ostufer – ein kurzes Stück am Hernlersteig – Forststraße nach N zum Fuß des markanten Adlerhorst – am Fuß der N-Wände Steig hinauf in den Sattel östl. der Adlerhorst-Spitzen – Zirlasteig. An einer Felsgruppe im Hochwald die Schlüsselstelle: eine wenige Meter lange, abfallende Wandquerung zur Fortsetzung des Waldsteiges, kleine Haltepunkte (III-) – Zirlaschlucht – Ausstieg am obersten Hernlersteig – Gmundner Hütte am Fahnenkogel – Ü Pyramidenkogel (Traunsteinkreuz) – Gmundner Hütte – Hernlersteig zum P.
… Vorgestern hab‘ ich den Traunstein bestiegen! Schon am Fuße des Berges hat mich eine Art Freudenrausch ergriffen, denn ich ging voraus und kletterte die Stiege mit solcher Eilfertigkeit hinauf, dass mir der Jäger oben sagte: „Das ist recht! So halt! Weil Sie da herauf so gut gekommen sind, werden sie auf den Traunstein wie ein Hund hinauflaufen!“ … Das war einer der schönsten Tage meines Lebens; mit jedem Schritte bergan wuchs mir Freude und Mut …
Der Traunstein ist und bleibt der Haus- und Kultberg nicht nur der Gmundner, sondern des Großteils aller Oberösterreicher. Kaum ein seilbahnfreier Berggipfel in Österreich wird es auf mehr oder prominentere Besucher bringen: Der vielseitig begabte Maximilian I. erstieg den Kalkkoloss über dem Traunsee schon im Jahr 1506, lange vor dem Erwachen des modernen Alpinismus; der Kaiser veranlasste übrigens auch die erste Höhenmessung. Der Flachländer Nikolaus Lenau erklomm den Berg 1831, also ein Jahr vor seiner freudlosen Amerikareise. In der Neuen Welt sollte er Land für eine Farm kaufen, seine Hoffnung auf finanziellen Gewinn in Freiheit und Demokratie wurden aber auch jenseits des Ozeans zerstört, schon ein Jahr später kehrte er verbittert über die „himmelanstinkenden Krämerseelen, die mausetot für alles geistige Leben sind“ nach Europa zurück.
Lenaus Schaffen war geprägt vom Streit um politische und religiöse Freiheit, aber auch von Weltschmerz und Einsamkeit, von der leidenschaftlichen Liebe zur Frau seines Freundes. Die Zitate stammen aus Lenaus Brief an seinen Schwager - dem wahrscheinlich wertvollsten Traunsteindokument. Sie belegen eindrücklich jene beruhigende Wirkung der Berge auf das Gemüt selbst jener Bedauernswerten, die zum Pessimismus quasi verurteilt sind oder gar - wie im Falle Lenaus - im Irrenhaus enden. Mit Sicherheit haben auch viele von uns Glücklicheren diesen heilenden Einfluss schon wahrgenommen, in turbulenten Zeiten, wo sich einfach kein besseres Ventil für die Psyche findet als eine ordentliche Tour.
… Die Minute, die ich auf jenem Rande stand, war die allerschönste meines Lebens, … das Höchste, was ich bis jetzt genossen …
Zirla – dieser ungewöhnliche Anstieg durch die NW-Wände des Traunstein ist so verlockend wie sein Name; die etwas gefinkelte Wegfindung lässt sich mithilfe der folgenden Bilder und den ergänzenden Texten in den Griff kriegen.
Auf diesem Band kurz oberhalb des Einstieges passieren die meisten Verhauer. Erich konnte im Mai 1975 eine Familie aus Schwanenstadt, die zu weit unter den Schluchtabbruch hinübergequert war, aus misslicher Lage befreien. Der Vater der siebenjährigen Susanne hatte den Zirlasteig seit zwanzig Jahren nicht mehr begangen und Mutter und Tochter am berüchtigten Latschendurchschlupf vorbeigeführt. Den Eltern war anschließend nicht mehr wohl bei der Sache, Susanne aber zeigte sich bei der Fortsetzung der Tour an Erichs Seil absolut begeistert und wieselflink.
… Ich war begeistert. Wenn mein Führer sagte: „Jetzt kommt eine gefährliche Stelle!“, so lachte ich, und hinüber ging es mit einer Leichtigkeit, die ich bei kaltem Blute nimmermehr zusammenbrächte und die mir jetzt am Schreibtisch unbegreiflich vorkommt. Meine Zuversicht stieg mit jedem Schritte …
Abends um sechs Uhr ging es hinab, rüstig und schnell … Wir taten manchen lustigen Sprung und trieben allerlei Kurzweil. Besonders über ein Pflänzchen, auf der Spitze des Traunsteins gepflückt und Nimmernix genannt. Du erhältst es in diesem Briefe. Die Sennerinnen geben ihren Burschen, wenn sie von ihnen besucht werden, immer einen Blumenstrauß; findet sich darin dieses Nimmernix, so ist es nix …
Sollte auf dieser Tour deine Kletterleidenschaft erwacht sein, dann empfiehlt es sich, beim nächsten Traunsteinbesuch den SW-Grat genauer in Augenschein zu nehmen.
Eine Übersicht mit Verlinkungen zu weiteren Salzkammergut-Touren auf nature-classic findet ihr im Anhang zur Bergwerkskogel-Rettenkogel-Überschreitung.
(27.11.2009)
Literatur: Pichler/Stieb: Wander- und Kletterführer Traunstein und Umgebung. Naturfreunde Österreich. Linz: Oberösterreichischer Landesverlag 1977.
Lehr: Duell mit den Bergen. Linz: Rudolf Trauner Verlag 1977.