Blindis, 3000 m. Südgrat, 3 und Ostgrat, 2
Mystische Bergspitze über der Knappengruben.
Venedigergruppe, Lasörlingkamm, St. Jakob in Defereggen, Osttirol. Aufstieg 1400-1600 Hm.
P St. Jakob in Defereggen oder Auffahrt nördlich nach Außerberg. Als Umleitung für den ständig bedrohten Engpass am Taleingang gleich hinter St. Jakob wurde von hier oben eine neue Straße angelegt, die parallel über der alten einquert; im Frühwinter 2015/16 war die Auffahrt bis zum P in der Karte möglich und gestattet (s. auch Weißes Beil), eine Neuregelung könnte die langen Zustiege etwas entschärfen - Trojer Almbachtal - bez. Steig bis in Straßenkehre auf etwa 2170 m - Knappengruben (Schaubergwerk) - Blindissee - oberer S-Grat oder O-Grat (etwas einfacher) zum Gipfel. -
Der Normalweg auf den Blindis führt von der Durfeldalm (früher Dürrfelderalpe) am Rudolf-Kauschka-Weg über das nnö. hinauf ziehende Kar auf den Hauptkamm und über den kurzen NW-Grat auf den Gipfel. Von der Scharte kann man auch den Stampfleskopf-Ostgipfel erreichen, weiter nur in wilder Gratkletterei.
„Jetzt weiß ich, warum unten die Burschen von der Knappengruben [frühes 17. Jh.] in den Berg wollten und nicht hinauf!“ (Die fast mit allen Wassern gewaschene Ulli [frühes 21. Jh.] am obersten Südgrat des Blindis).
So „zivilisiert“ der Ostteil der Lasörlinggruppe - mit dem Höhenweg von Hütte zu Hütte und dem parallel verlaufenden Kammweg (s. Lasörling im Archiv) - dem ambitionierten Bergwanderer erscheint, so entlegen und archaisch geben sich die wilden Spitzen jenseits des namensgebenden 3000ers. Bis auf die Reichenberger Hütte weit und breit kein Stützpunkt, einsamste Kare, kaum Gipfelwege. Zwar existieren im längst vergriffenen Uraltführer von Hubert Peterka detaillierte Angaben über ausgeführte Touren wagemutiger Erschließer aus dem Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Wenn man sich aber in stundenlangen weglosen Anmärschen zu den Schauplätzen dieser Bergabenteuer vorgearbeitet hat, kann man oft nur staunen über die Kaltblütigkeit eines Purtscheller, Kauschka, Erlsbacher und wie sie alle hießen. Noch heute haben diese Berge die unbezähmbare Ausstrahlung behalten, welche viele Alpinisten nur in fernen Erdteilen zu finden glauben.
Selbst für die Goldgräberromantik brauchen wir nicht nach Kanada zu fliegen. An der Knappengruben begann man bereits Ende des 15. Jahrhunderts zu schürfen, die Blütezeit des Kupfererzabbaus (Chalkopyrit, an Glimmerschiefer gebunden) lag zwischen 1550 und 1618. Die langen Winterschatten heben sich erst spät von diesem Archäologiethriller mit Wildwestflair, überragt von einer gewaltigen, 2800 m hohen Felsburg, die doch nur eine unter vielen unvermessenen, namenlosen Spitzen im langen Pizleshorn-Südgrat ist.
Uns hat die Neugierde um die Durchführbarkeit eines Schitourenprojekts und den Scheibenplattengrat hinauf zum Blindissee gelockt. Oft genug haben wir in alten „Klassikern“ - mit den AV-Führern des letzten Jahrhunderts in der Hand - unsere Wunder erlebt. Angesichts des weit über einen Kilometer langen, stark zerscharteten, „einige Male messerscharfen“ Gratzuges „mit einigen schwierigen Abbrüchen“ trauen wir deshalb weder dem II+ noch den 3 st v. E. so ganz über den Weg. Die Entlegenheit, die Kürze des vorletzten Tages im Jahr und nicht zuletzt unsere zu Hause wartende Ronja lassen uns stattdessen lediglich am obersten Südgrat und am Ostgrat dieses Fantasyberges herumbasteln. Dort oben beglückwünschen wir uns zu der Entscheidung, den Scheibenplattengrat auf die menschenfreundlicheren Sommermonate vertagt zu haben.
Eine Linkliste zu weiteren Deferegger Touren findet ihr im Anhang unseres Almerhorn-Berichts.
Literatur: Peterka: AV-Führer Venedigergruppe. München: Rother 1969.
Zlöbl: Die Dreitausender Osttirols. Tristach: Zloebl 2007.