Loswand, „Wiener Neustädter Weg“, 4
Fast vergessener Klassiker im Großen Höllental.
Rax, Hirschwang, Niederösterreich. Aufstieg 800 Hm, davon Zustieg 300 Hm + 12 (13) Seillängen (450 Hm).
P entweder vor dem Weichtalhaus-Straßentunnel (B27 Höllental-Bundesstraße ca. 7 km nw. v. Hirschwang) mit Zustieg über die „Schönbrunner-Stiege“; oder 500 m danach am Kl. Höllental-Parkplatz - Gr. Höllental bis Abzweigung Hoyossteig - Wiener Neustädter Weg - Abstieg Teufelsbadstubensteig oder Wachthüttlkamm.
Im Oktober 1902 fand der erst 20-jährige Wiener Steinmetz Otto Laubheimer zusammen mit seinen Gefährten Schwenk und Stögmüller den damals schwierigsten Kletteranstieg der Rax - einem Unglücksberg, an dem alpine Wildlinge zu Dutzenden abkollern (Neues Wiener Tagblatt, 1900).
11 Monate später sollte Laubheimer, der für lange, anstrengende Alleingänge in unglaublich kurzen Zeiten bekannt war, am Hochtor selbst zu Tode stürzen.
Karl Lukan erzählt:
In dieser Zeit erwog die Bezirkshauptmannschaf Wiener Neustadt allen Ernstes, den Unglücksfällen auf der Rax ein Ende zu machen, indem von den Bergsteigern vor dem Begehen eines schwierigen Steiges ein alpiner Befähigungsnachweis verlangt werden sollte. Als Protest gegen diesen eigenartigen Vorschlag nannten die Erstbegeher den steilen Felsgrat links des Teufelsbadstubenkessels „Wiener Neustädter Weg“. -
Der promovierte Jurist Fritz Benesch, der bereits 1894 mit seiner Vergleichsweisen Rangeinteilung der Steige eine erste Schwierigkeitsskala fürs Klettern einführte, schrieb in seinem Raxführer:
Die Schwierigkeiten dieses Weges sind so hervorragend, dass jeder nicht vollkommen sichere und über bedeutende Armkraft verfügende Kletterer eindringlichst vor seiner Begehung gewarnt werden muss.
Heutzutage wird der Wiener Neustädter Weg kaum mehr gemacht - das Routenbuch oben am Ausstiegsgrat weist in den letzten Jahren jeweils zwei, drei Einträge auf; auch heuer waren wir Ende August erst die zweite Seilschaft. Entspricht die Linie mit ihren vielen grasigen, schottrigen Passagen in manchmal nicht ganz zuverlässigem Gestein trotz einer sehr sanften Sanierung (gebohrte Stände und wenige Zwischenhaken) nicht mehr dem Zeitgeist? -
Die landschaftliche Schönheit und viele legendäre, kompakte Kletterstellen wie Kainschritt oder Büchlriss entkräften dieses Argument. Wir glauben, dass die Route nach wie vor gesucht ist - nur nicht gefunden wird. Durch die geringen Begehungen ist der Zustieg kaum mehr auszumachen, in alten und neuen Führern wird man (unterm Einstieg vorbei) zur Teufelsbadstubensteig-Abzweigung hinaufgeschickt und muss dann mühsam in den steilen Halden am Wandfuß zurückqueren, mit Glück findet man dabei verblasste blaue Punkte, das ist aber auch schon alles.
Dabei ginge es viel einfacher - siehe Bildtexte unter den ersten Fotos.
Hat man dann das Schloss zu Laubheimers Welt geknackt, sollte man trotz der blauen Strichmarkierungen und gebohrten Ringhaken viel alpine Erfahrung mitbringen und auf so manche Überraschung in den „4er-Stellen“ gefasst sein.
Weitere einfachere Klettereien an der Loswand im Bericht übers Höllental.
Literatur: Benesch/Pruscha/Holl: Führer auf die Raxalpe. Wien: Naturfreunde 1983.
Behm: Kletterführer Höllental. Erhältlich im Weichtalhaus oder unter +43/(0)2622/83386.
Schall/Behm: Genusskletteratlas Österreich Ost, Band 1 Niederösterreich. Wien: Schall.