Höllkamp, 1952 m. O-Kante mit Platteneinstieg, 4+. -
SO-Wand „Muchas gracias, amigos“, 5+
Felsabenteuer über den Ringen. Mit Adlermauer und Schneekarmauer.
Hochschwab, Weichselboden, Steiermark. Zustieg 800 Hm + 19 bzw. 16 Seillängen (600 Hm).
P Weichselboden, Salzatal - Forststraße Vordere Höll - Ziehweg und Steig Unterer Ring (hier linksseitig an der Adlermauer u. a. die Route „Wasser ist Leben“, 7 SL, 7- oder 6/A0, s. Fotos) - vom Talschluss (Steinmänner) zuerst links haltend auf Steig bis auf eine Höhe von ca. 1300 m (Linkskehre nahe der Wände) und rechts durch die Rinne hinauf zum gugelhupfartigen Vorbau der „Amigos“ (E am Grasband darüber); gut 30 m rechts davon beginnt das schmale Schrofenband (auf-. ab- und wieder aufsteigend, viel leichter als es scheint) aufs große Schuttfeld und zum Riesenkamin des Platteneinstiegs der Ostkante im obersten Winkel rechts – Höllkamp-Ostgipfel. -
Abstieg gegen Norden über die Rossleiten: vom Gipfel erst leicht rechts hinunter, noch vor dem Bewuchs dann links in eine Schrofenrinne, welche weiter unten zur Schlucht wird (rechts ein markanter Latschenkogel); bei einer Verengung „Rutschstelle“, kurz danach an den beiden unteren Abbrüchen rechts vorbeiklettern (s. Fotos; Auskneifen links hinauf führt zu einem Abseilmanöver) und links in die baumbestandene Wiesenmulde hinunter- etwas unübersichtliche Waldquerung (der einstige Jagdsteig ist fast völlig zugewachsen und kaum mehr aufzufinden) mit leichten Gegenanstiegen zum Brunnriegel-Sattel und zur Edelbodenalm - Wanderweg und Forststraße nach Weichselboden. –
Eine weitere Abstiegsmöglichkeit s. Karte: vom Brunnriegel (die Quelle am SO-Abhang des Edlerkogel ist dauerhaft zugenagelt und nicht mehr nutzbar!) führt ein Jagdsteig über den Miessattel und einen Seitenast des Brunntals hinunter in die Vordere Höll. Der Steig ist bis auf eine Reihe von Baumverhauen, die scheinbar nicht mehr geräumt werden, noch gut zu erkennen; schattiger, aber kaum kürzer als der ausgeschilderte Forststraßenabstieg an der Westseite des Mieskogel.
Zwei mauerumgürtete Kessel im abgelegensten Teil des Hochschwab zählen zu den großartigsten und zugleich unbekanntesten landschaftlichen Juwelen der Ostalpen. Kletterlegende Rudi Lindner, der Herr der Ringe, hat hier im Sommer wie im Winter zusammen mit seiner Helga die wirklich haarsträubenden Abenteuer gesucht, gefunden und bestanden. In den letzten Jahren sind junge Wilde in den abweisenden Wänden auf den Geschmack gekommen, eine größere Zahl von eindrucksvollen Neutouren ist entstanden, die meisten davon jenseits des 6. Grades. Die Namensgebung lehnt sich oft an Tolkiens Fantasiewelt an, die Locations lassen jede Computeranimation verblassen. Mithilfe des neuen Kletterführers (s. unten) entdeckt man am Höllkamp schließlich zwei Routen im gemäßigten Schwierigkeitsbereich, noch dazu mit gebohrten Ständen (und Abseilringen in den „Amigos“) - welch Luxus, Herz, was willst du mehr.
Das neue Guidebook ist wunderschön, eine Monografie in Format und Gewicht dem großen Hochschwab-Bildband von Rudi Lindner ebenbürtig. Die von Hand gezeichneten Topos von Thomas Behm lassen sich kaum akkurater gestalten. Eine wahre Fundgube.
Dennoch soll eine Warnung an den verwöhnten Genusskletterer erlaubt sein: Die Routen können auf dem Papier leicht den Charakter einer Plaisirroute aus einem Känel-Führer evozieren, die Ausgewählten Kletterrouten und Klettergärten im Steirischen Gebirg' sind aber in der Hauptsache von robusten, hervorragenden Alpinkletterern für ebensolche geschrieben. Die vielfältigen Eindrücke der Ostkante – eine der allerlängsten Hochschwabtouren – sind überwältigend, der relativ große Schrofenanteil bei den Amigos fällt wenig ins Gewicht - diese Landschaft macht alles wieder gut.
Die Teufelchen stecken im Detail: Weite Hakenabstände werden für manche Begeher zusätzlich profunde mobile Absicherung erfordern, für Überraschungen ist in der Riesenwandflucht stets gesorgt. Manche Kletterstellen scheinen doch eher heftig bewertet. Während an der Ostkante die Wegführung noch relativ klar ist, sieht man in den Amigos manche Laschen erst zu spät. Drei Viertel der Seillängen messen hier 55 oder 60 m, was beim Nachziehen zusätzliche Schwierigkeiten bringen kann (besonders in der 15.SL). Wer meint, dass nach der Crux-Seillänge (10.) alles in Butter wäre, sollte die letzte (16.) abwarten, die zeigt für einen Fünfer noch einmal ordentlich die Krallen. Dort oben ist es meist auch fürs Abseilen zu spät - das sollte man sich besser bis zum 9. Stand überlegt haben.
Zuletzt wartet noch ein gscheiter Abstieg ins 1300 m tiefer gelegene Salzatal, der einem beim ersten Mal auch nicht selbstverständlich in den Schoß fallen muss.
Obige Warnung bezüglich der Interpretation von „Genusskletterrouten“ gilt auch für Die letzten Goten (14 SL, 7- oder 5+AO, s. gegen Ende der Bilderreihe), welche von Norden her aus dem romantischen Schneekar den Höllkamp-Westgipfel erreichen. Wir haben uns die ersten drei Seillängen angeschaut. „Sehr schöne, lohnende und lange Genusssportkletterroute“ (Erstbegeher). - „Die Möglichkeit weiter und gefährlicher Stürze ist gegeben“ (Definition der zwei Bohrhakenlaschen des Führerpiktogramms). Super für Leute, die sich im 8. Grad locker bewegen, vielleicht doch nicht ganz das Richtige, wenn zu Hause ein Schulkind auf Mama und Papa wartet.
Generell kann man bezüglich der oben angeschnittenen Piktogramm-Bewertung sagen, dass große Stürze unter normalen Umständen nur in den Vier-Laschen-Touren eher unwahrscheinlich sind (z. B. Leobner Mauer, Hufeisenkante). Der eingangs erwähnten „Wasser ist Leben“ an der Adlermauer haben die Autoren drei Laschen verliehen, und trotzdem kann es unter Umständen ganz schön rauschen ...
Hat man am Ende des Tages eine der längsten Hochschwabtouren kennengelernt, so ist die Freude groß und der geniale Bierbrunnen gleich gegenüber vom Parkplatz in Weichselboden hilft die Erinnerungen aus den Wänden hoch über den Ringen zu vertiefen.
Nun zu den Fotos der Nachbartour „Muchas gracias, amigos“:
(Amigos 22.07.2021, Ostkante 05.08.2022)
Literatur: Gumpold/Leitinger/Behm: Hochschwab Kletterführer. Ausgewählte Kletterrouten und Klettergärten im steirischen Gebirg'; deutsch und englisch. Markt Piesting: Verlag Kletterführer Hochschwab GesbR, 2020, www.hochschwab.org
Lindner: Hochschwab. Graz: Herbert Weishaupt Verlag 1989. Fantastischer Bildband für Hochschwabkenner und solche, die es werden wollen.