Stadelwand, 1407 m
Alpines Flair im Höllental.
Schneeberg, Höllental, Niederösterreich. Zustieg 400-500 Hm + 10-16 Seillängen (200-400 Hm).
P Höllental-Bundesstraße B27, 600 m sö. Weichtalhaus, 1,3 km nw. Kaiserbrunn - Stadelwandgraben, vorbei an der Vorderen Stadelwand (alpiner Klettergarten mit vielen lohnenden Mehrseillängen-Touren) - Schuttfeld unter der Stadelwand. Die Routen werden von links nach rechts (W-O) vorgestellt. - Abstieg von der Gipfelwiese etwas östlich haltend und über Jagdsteig zurück in den Stadelwandgraben.
Das Ausmaß der (immer noch längst nicht zu Ende gekommenen) Erschließung der kleinen und großen Wände im Nahbereich von Wien hätten vor ein paar Jahrzehnten die visionärsten unter den Kletterern nicht erahnen können. Zwar hatte man damals schon reiche Auswahl – vom einfachen Stadelwandgrat bis zur extremen Stadelwandplatte, laut dem alten Reidinger-Schneebergführer die schwierigste Tour an dieser breiten Sonnenwand. In den letzten Jahrzehnten sind viele neue, großartige Klettereien dazugekommen, aber auch die klassischen Linien wurden sorgfältig saniert, geputzt und oftmals begradigt.
Am klassischen Stadelwandgrat, 2-3, tummeln sich auch heute noch an jedem schönen Wochenende ganze Kletterkarawanen, ganz oben in der Beliebtheitsskala nach wie vor auch sein direkter Zustieg, der Richterweg, 5- (4 A0); zusammengenommen über 20 Seillängen.
Eine andere der vielen schönsten Touren überm idyllischen Höllental ist erst gut 10 Jahre alt, gilt aber dennoch bereits als Klassiker, der nicht nur Kletterer aus der Hauptstadt anzieht. Allein schon mit ihrer Länge (mit der noch schwierigeren Headwall 16 SL) schiebt sich Daham is daham, 7+ (7- A0) an eine mittlere Hochgebirgswand heran, dazu kommt, dass die Absicherung großteils sehr genügsam ausgefallen ist im Vergleich zu den meisten anderen Gustostückerln der Genussliteratur. Ein lang anhaltendes, herrliches Abenteuer.
Ebenfalls zu empfehlen sind Des Kessels neue Kleider, 7- (6 A0) aus dem Jahr 2006, ein kurzweiliger, abwechslungsreicher 16-SL-Anstieg durch den Stadelwandkessel. Insgesamt etwas weniger anspruchsvoll und enger abgesichert als „Daham is daham“. Während im unteren Teil schöne Platten aller Neigungsgrade vorherrschen, ist der obere Teil weniger begeisternd; die drittletzte SL führt über Steilschrofen ohne Bolts.
Noch etwas weiter rechts wurde 2005 ein Klassiker von Franz Zimmer aus dem Jahr 1906 begradigt und eingerichtet - der Neue Zimmersteig, 5, 10 SL, lässt seither alle Liebhaber alpiner Schrofenabenteuer ungleich sicherer ihrem Hobby frönen, adies in der Originalversion möglich war. Als Draufgabe haben die Sanierer (Melchart/Faltin vom ÖGV Wien) zwei Jahre später gleich daneben die Plattensymphonie, 7-, ebenfalls 10 SL, aufgelegt; die zwingend zu kletternden Schwierigkeiten steigern sich nach oben hin. Eine wirklich schöne und abwechslungsreiche Linie, die nahe der Richterkante im Hochwald unterhalb der Gipfelwiese aussteigt.
Die Direkte Richterkante, 6 (5- A0) wurde jahrzehntelang kaum mehr begangen, bis sie 2002 erstklassig saniert wurde und sogleich zum „wahren Genusskletterhit avancierte“ (Schall). Die üppige Absicherung lässt auch beherzten EinsteigerInnen eine Chance.
10 m rechts der Richterkante startet (auf den Spuren des alten Reifschneiderwegs) das Bruderherz, 6+ (5+ A0) mit schönen Platten. Die 2. SL hat uns am besten gefallen, es folgt ein bunter Wechsel aus Schrofen und steilen Felspartien. Der Runzelpfeiler ist nett, für die Schlüsselseillänge ist die Bewertung 5+ A0 reichlich optimistisch. In der alpinen 7. SL wird's zwischendurch etwas erdig, die 8. ist wieder hübscher und die letzte Seillänge beschert einen gelungenen, blumigen Ausklang auf steiler, glatter Riesenplatte mit weit auseinanderliegenden Löchern und Henkeln.
Noch weiter oben, faktisch im obersten Winkel der Stadelwand sind 1986 dank Kurt Schall und Christian Hacker die Modernen Zeiten, 7/7+ (7- A0) angebrochen, Wandhöhe hier oben nur mehr 160 m, auf den 6 Seillängen teilweise wirklich tolle Platten.
Das Höllental, der malerische Durchbruch der Schwarza zwischen Schneeberg und Rax, bietet darüber hinaus zahlreiche weitere größere und kleinere Klettergebiete; selbst fleißigste Kletterer haben hier jahrelang zu tun und die Entwicklung scheint nicht stehen zu bleiben. Die Felsen rund um den Rosaroten Pfeiler stehen gleich am Eingang des Tales gegenüber der Rax-Seilbahn bei Hirschwang:
In Nachbarschaft zu Krieg und Frieden, 7- (6 A0), 3 SL, finden sich neu eingebohrte Linien, die noch nicht im Internet zu finden sind; wie gesagt, jeder Führer ist bereits vor seinem Erscheinen veraltet.
Sehr schön auch die Routen am Rosaroten Pfeiler selbst, besonders die 2. SL von Rosaroter Panther und die 3. SL von Rosaroter Pfeiler (beide 8- oder 7 A0), aber auch Hosenscheißer, 7 und die feine Route gleich rechts daneben (?, 7+, auch gut A0 zu gehen) sind wertvoll – vom Rosaroten Pfeiler 3 Minuten den Steig leicht rechts aufwärts hinüber, gleich jenseits des kleinen Felsschartels sind sie zu finden.
Für Freunde langer Wanderstrecken empfehlen wir die Schneeberg-Umrundung, auf die beiden Hauptgipfel Klosterwappen und Kaiserstein geht's im Winter mit Schi.
(24.06.2010)
Literatur: Schall: Genuss-Kletteratlas und/oder Sportklettern Österreich Ost, Band 1. Wien: Schall.
Behm: Kletterführer Höllental. Erhältlich im Weichtalhaus oder unter +43/(0)2622/83386.