Sočatal
Klettern in Zlatorogs Vorgarten.
Julische Alpen, NW-Slowenien.
Die alljährliche Völkerwanderung sonnenhungriger Urlauber wälzt sich auf ihrem Weg über die Autobahnen zur Adria regelmäßig in nur geringer Distanz an einer der schönsten Gebirgsgruppen Mitteleuropas vorbei – den Julischen Alpen mit seinen ungestümen Riesenwänden und sattgrünen Talschaften. Einer der landschaftlich schönsten Flüsse hier ist die Soča, besser bekannt - aufgrund der unfassbaren Ereignisse während des Ersten Weltkrieges - unter dem italienischen Namen Isonzo.
Die größeren Ortschaften Bovec (Flitsch), Kobarid (Karfreit, sehenswertes Museum) und Tolmin (Tolmein) wurden heiß umkämpft und großteils bis völlig zerstört, heute findet man hier eher geruhsame Sommerfrischen.
Der Fluss selbst ist bei Wildwasserfans heiß begehrt, ähnlich wie an der obersteirischen Salza trifft man hier auf Kanuten aller Herren Länder. In den letzten Jahren hat sich erfreulicherweise auch die Zahl der Klettergärten erhöht, und so bietet sich vielerorts ein erholsames Kontrastprogramm zu den riesigen Höhenunterschieden der gewaltigen Berge oder dem Badevergnügen des nahen Meeres.
Der über 1600 m hoch gelegenen Vršič-Pass ist von Villach über den Wurzenpass und Kranjska Gora schnell erreichbar. An den imposanten Felsgestalten von Prisojnik und Mojstrovka kommt man kaum vorbei, gleich hinterm Pass rechts (südwestlich) locken die attraktiven Platten des ersten und höchstgelegenen Klettergartens. In zwei Sektoren sind bislang knapp 50 Seillängen zwischen 4a und 7b eingebohrt.
Nach 25 Kehren hat man den obersten Talboden der Soča erreicht. Pri Pavru ist ein kleines, verstecktes Gebiet in unmittelbarer Nähe des Flusses, das auf den ersten Blick nicht ganz überzeugt, aber dennoch etliche tolle Längen anzubieten hat.
Zwei Kilometer weiter liegt das erste Sočaknie mit der Siedlung, die dem gesamten Talabschnitt seinen Namen gibt – Trenta. Wenige Hundert Meter östlich ins Seitental der Zadnjica hinein, und man steht unter dem gewaltigen Nordwandausbruch des Zadnjiški Ozebnik: Routen mit bis zu 11 Seillängen, 5c bis 7b, Helm und Doppelseil fürs Abseilen empfohlen.
Ein völlig gegensätzliches Bild nach fünf weiteren Kilometern talabwärts im Klettergarten Trenta (Parkplatz rechts nach der Lawinengalerie): Jenseits einer fürs Sočatal so typischen Hängebrücke türmen sich auf einer Wiesenterrasse haushohe Blöcke. Eine kleine steinerne Stadt mit bislang 30 Routen, 5a bis 7b, Felshöhe maximal 16 m.
Von Kal-Koritnica, einem Doppelweiler am Fuß des markanten Svinjak, wo sich das enge Tal etwa drei Kilometer östlich vor Bovec öffnet, steigt man ca. 15 Minuten zu den vier schattigen, versteckten Sektoren des letzten Trenta-Klettergartens hinauf. 35 Routen, 4a bis 7b, am obersten Felsen bis 35 m hoch.
In Bovec selbst bieten sich viele Möglichkeiten: ein Ausflug die Koritnica hinauf durch die Flitscher Klause (Kluže, Festungen aus der Zeit der Napoleonischen Kriege, die auch während des Ersten Weltkrieges wieder benutzt wurden) bis zum Mangart – unvergessliche Hochgebirgseindrücke.
Oder eine 1800 Hm-Wanderung vorbei an den Ruinen der Raubritterburg Čuklja durch typisches Karstgelände mit Buscheichen auf den Rombon (Veliki Vrh), einer der stärksten österreichischen Bergfestungen der Isonzo-Front.
Die Besteigung des Kanin über eine kahle, apokalyptische Hochfläche – oder unter Zuhilfenahme der Seilbahn (erspart immerhin 1800 Hm) über den versicherten Slowenischen Höhenweg am Ostgrat.
Oder – und jetzt sind wir wieder beim Thema – der Klettergarten Pri Žvikarju fünf Kilometer talaus, in unmittelbarer Nachbarschaft des grandiosen Boka-Wasserfalles. Ein Dutzend Touren von 5a bis 7b+.
Kurz danach bietet sich in Žaga für Übersättigte scheinbar die Gelegenheit, vom Sočatal Reißaus zu nehmen. Die aufregende Bergstraße über die Pässe Uccea und Tanamea nach Friaul hinüber führt aber nur zu neuen Aufgaben: vielversprechende bizarre Bergkämme, tosende Schluchten und Klammen, die Klettergärten von Musi ... Und wer nur wegen der Pizza das Land wechseln will, die schmeckt auch in Žaga vorzüglich (Pizzeria Špik, nicht nur für Nordwandgesichter).
Wenige Kilometer flussabwärts stoßen wir nahe dem Wanderweg von Kobarid hinauf zum Weiler Magozd auf einen weiteren empfehlenswerten Klettergarten: Pod Kopitcem. Schon der Zustieg lohnt sich wegen der Hängebrücke über die tosende Soča und den kurzen Abstecher zum Kozjakfall in einem dunklen Kraterrohr weit im Innern des Berges. Hat man dann endlich die Abzweigung zu den Wänden erreicht (etwas weiter als der Führer glauben lässt, mit Besuch des Wasserfalls ca. 45 min), gibt's zur Belohnung gleich die Vorspeise in Form eines neuen Sektors mit 6 Routen an unzähligen kleinen Leisten (4. bis 6. Franzosengrad). Am Hauptsektor ein gutes Dutzend Touren zwischen 4c und 6b+; insgesamt ein sehr einladendes Plätzchen mit kleinen, angelegten Terrassen und Bänken.
Den Besuch von Pri Čiginju im Sočaknie südl. von Tolmin kann man sich zurzeit getrost sparen. Kaum Parkmöglichkeiten, wegloser Zugang über eine Wiese, absolut sanierungsbedürftig (Bohrhaken der ersten Generation). Viel interessanter ist ein abgelegener, neuer Klettergarten gut 15 km sö. von Tolmin: Drnulk liegt unmittelbar an einer wilden, unbefestigten Bergstraße, hoch über dem Tal der Idrijca. Näheres in Slowenien - Klettergärten 2. Der Südwesten.
Unbedingt anhalten sollte man in der kleinen Ortschaft Kanal, ca. 20 km nördlich von Gorizia, das Ortsbild mit seiner Brücke über den tief im Fels eingefressenen Fluss ist hinreißend.
Auch der letzte Klettergarten im Sočatal, 10 km vor seiner Öffnung bei Gorizia, ist einen Besuch wert. Leicht übersieht man die kleine Parkbucht westl. der Straße, 700 m nach der Gostilna Dermota, obwohl sich die Felsen von Dolge njive nur wenige Schritte oberhalb der Straße im Wald verbergen. 50 Routen von 4a bis 8a in vorzüglichem Fels.
Jetzt aber endlich ab zum Meer, nach Istrien (und seinen Klettergärten).
(07.2010)
Literatur: Slovenija Kletterführer, viersprachig. Ljubljana: Sidarta 2007.