Klettern über einer der schönsten Küsten Europas
Das Biokovo-Gebirge ist Teil der Dinarischen Alpen im Süden Kroatiens, zwischen der alten Seeräuberstadt Omiš und der Neretva-Mündung. Einem außergewöhnlich schönen Küstenstreifen (Hauptort Makarska, „preisgekrönte“ Strände um Brela) entwachsen als erstes Stockwerk endlose Felsgürtel mit nahezu unbeschränktem Erschließungspotential (Klettergärten Zadvarje, Brela, Bast, Krvavica sowie der Mehrseillängen-Klettergarten Vrisove glavice), darüber türmen sich regelrechte Bigwalls mit vielen hundert Metern Wandhöhe bis hinauf zum höchsten Gipfel, dem Sveti Jure, 1762 m über dem tiefblauen Meer. Große Teile des Biokovo stehen als Naturpark unter staatlichem Schutz.
Gut einen Kilometer südl. der hoch über der sehenswerten Cetinaschlucht thronenden Ortschaft Zadvarje (bestens geeignet als Ausgangspunkt für Canyoning- und Raftingtouren) parkt man am Straßenbankett unterhalb eines kleinen Friedhofes und läuft 250 m weiter bis unter den Klettergarten. Wo die Felsen der Straße am nächsten sind, klettert man über die Böschung auf die schöne Wiesenterrasse am Wandfuß, ca. 30 steile Routen von 4c bis 8a.
12 km weiter, beim Klettern in Brela, hat man große Teile der dalmatinischen Küste mit den Inseln Brač und Hvar unter sich – und jede Menge zu tun. Österreichische Kletterer haben hier schon vor zwei Jahrzehnten die Initiative ergriffen, das Ergebnis: 80 Routen von 4a bis 7c+, wie auch in allen folgenden Klettergärten Spitzenambiente mit unfassbaren Platten, Rillen und Henkeln. Einen perfekten Stützpunkt bieten die Apartments von Jagoda und Filip Sokol (sie sprechen beide deutsch, sind sehr freundlich und hilfsbereit): knapp 200 m über dem Meer, Prachtblick auf die Insel Brač, kaum eine Viertelstunde zu Fuß zum Klettergarten. Jagoda versteht sich auf feine Kuchen, am Abend grillt der Hausherr Fisch oder Fleisch und kredenzt ausgezeichneten hausgemachten Rotwein - Tel. +385 (0)21 618 351.
Ein alter, gut befahrbarer Ziehweg verbindet die einzelnen Klettergärten hoch über der Küste. Dank ihm ist das Mehrseillängen-Gebiet Vrisove glavice (ebenfalls vom Sokol-Haus zu sehen, zu Fuß von dort zum Wandfuß in einer knappen Stunde) von beiden Seiten, von Brela und (wie im Čujić-Führer beschrieben) von Baška voda über Topići erreichbar. Die breite Wandflucht bietet neben einer Handvoll kürzerer Übungstouren (gut geeignet zum Erlernen des Umgangs mit Keilen und Friends) hauptsächlich Routen zwischen drei und sechs Seillängen bis 150 m Höhe. Gute Vorbereitung für die langen Touren in den obersten Etagen an Bukovac oder Borovac (s. unten).
Über eine etwas ruppige Zufahrt erreichen wir ein feines Plätzchen hoch über dem pittoresken Bergdorf Bast, neben dem etwas weiter südlich gelegenen Veliko Brdo die erste Adresse für Wanderungen zwischen und Gipfeltouren auf die wildesten Biokovo-Gipfel. In der letzten Ausgabe des Čujić-Führers überwiegen noch die Fragezeichen, wir können euch mittlerweile die Topos präsentieren. An der Meerseite des Parkplatzes wurden Schatten spendende Bäume gepflanzt, die einzelnen Routen erhielten Namen ausgewählter Vertreter aus Pflanzen- und Tierreich des Biokovo.
Kontroverse Meinungen mag der kleine Klettergarten von Krvavica hervorrufen; sicher nicht ob mangelnder Felsqualität oder Idylle, sondern wegen des zur Zeit kaum existenten Zustieges. Der Parkplatz nahe der rechtwinkligen Küstenstraßenkurve unter der schlanken Nadel der Svića ist schnell gefunden, der Felsen scheint zum Greifen nahe - wenn man weiß, wo er ist, nämlich ostseitig an der abgewandten Seite des niedrigen Felsgrates gleich links der Svića. Aber der Eintritt ins Paradies hat seinen Preis. Die Führerskizze lässt zwei Optionen offen: die ziemlich verwachsene direkte Bachschlucht links des Massivs oder den weiteren Bogen über den nördlichen Begrenzungshang. In jedem Fall landet man in einem windwurfartigen Chaos von umgeschnittenen Bäumen und Büschen, kreuz und quer in der Landschaft verteilt. Ähnlich schaut es am naheliegendsten, direkten westseitigen Anstieg in den flachen Sattel links der Nadel aus, an sich der kürzeste Weg. Erich hat dort zwar einen Zugang ausgeräumt, um all die Mädels wenigstens nur halb zerkratzt vom Berg zu bringen, aber ob den jemand wiederfindet? Auf alle Fälle in langen Hosen losziehen. Hat man es dann geschafft, ist der Dschungelkampf schlagartig vergessen: Der Sattel ist ein kinderfreundlicher Aussichtsplatz zum Chillen zwischen den Touren, mit wahlweise Sonne oder Schatten, die 10 tollen Routen liegen wenige Schritte unterhalb, extrem zerfressene Strukturen, aufregende Sinterskulpturen, teilweise stark überhängend, Schwierigkeiten von 5c bis zu noch ungelösten Projekten, nachmittags im Schatten. Adventure-Kletterer können überdies an den antiken Mauerhaken der Svića ihre Nerven schärfen.
Zum Schnuppern an den großen Wänden im Biokovo hervorragend geeignet sind die gut eingebohrten Routen an Bukovac hoch über Brela (z.B. Dalmatinski san - Dalmatinischer Traum - 6b, 600 m, 19 SL!) und Borovac/Pajevina, erreichbar über Veliko Brdo oberhalb Makarska. Wer sein Auto liebt, lässt es bei der Kapelle vor dem Weiler Baškovići stehen und folgt dem Wanderweg hinauf nach Miletin bor (offizieller Paraglider-Startplatz) oder fährt vom Klettergarten Bast auf der Forststraße weiter, solange es ihm geheuer ist.
12 km südlich von Makarska ist hoch über dem reizvollen Küstendorf Drašnice ein neues Klettergebiet im Entstehen. Die beachtlichen Biokovowände reichen hier relativ nahe ans Meer herunter, Lage und Felsqualität sind hervorragend, neben den beiden Sektoren auf der rechten Karseite mit bislang 20 Routen gibt es links auch schon eine Mehrseillängentour bis ganz hinauf. Erschließer neuer Routen sollten sich mit dem Verantwortlichen vor Ort in Verbindung setzt: Damir Urlić (00385(0)91 518 6539).
Literatur: Čujić, Boris: Croatia Kletterführer, viersprachig. Zagreb: Astroida 2014. Zurzeit leider keine brauchbare Karte des Gebietes.
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