Kletterinseln der nördlichen Adria
Krk/Baška - Pag/Stogaj
Während im Nordteil der Insel Krk sanfte, grüne Landschaftsformen vorherrschen, schieben sich ganz im Süden, zu beiden Seiten des Tales von Baška, erstmals felsige Steilhänge ins Bild. In der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre haben einheimische Kletterer hier begonnen, nach guten Linien Ausschau zu halten. Seitdem hat sich viel getan, in jüngster Zeit, im Frühjahr 2012, ist der Oberösterreicher Reini Moser auf das Gebiet aufmerksam geworden.
Krk ist nicht Kalymnos, sehr wohl kann man aber auch den Klettergebieten um Baška ihr eigenartiges, einladendes Gepräge bescheinigen. Sogar ambitionierte Kletterer haben hier nach heutigem Stand mindestens eine Woche alle Hände voll zu tun, und falls die Finger wegen des rauen Felses einmal um einen Ruhetag betteln, gehen einem die Alternativideen in solch einer Gegend auch nicht so schnell aus.
Neben den beiden alten Gebieten Portafortuna und Bunculuka stellen wir die taufrische Belove stene vor und letztendlich noch Reinis Biergötter - ein absolut brandneues Kletterrevier. Noch etwas weiter südlich ist am Weg zum Vraca-Sattel zwischen Gabar und Bag wieder ein neuer Sektor im Entstehen begriffen ...
Portafortuna
Bis jetzt 4 Sektoren, die beiden längsten Routen messen 33 m, Schwierigkeiten von 4a bis 7b+. Neu im kleinen Sektor B die Route Sudden Death (ganz links) und Forum Alpin 5b (entlang der Rissverschneidung rechts); im benachbarten Sektor C ist die Eierbar 5c dazugekommen (namensgebend die schönen Tropflöcher in diesem Bereich).
Belove stene
5 lohnende Sektoren, der nach N anschließende Wandteil ist derzeit gesperrt, weil hier weitere Routen eingerichtet werden.
Bunculuka
Wenige Meter über der hübschen Bucht sö. des Städtchens wurde 1996 von Tomaž Košir die erste Tour der Insel eingebohrt. 2008 hat man die 10 Routen bis 15 m Höhe, 5a bis 7b+, komplett neu saniert; der Fels ist nicht wirklich erstklassig, aber dennoch lohnend.
Reinis Biergötter
Im Frühjahr und Herbst 2012 hat Reini Moser aus Kirchdorf an der Krems am Wandfuß der Gabar-Ostflanke den Bierpfeiler und das Göttereck entdeckt und in diesem wunderbar aussichtsreichen Winkel 13 SL eingebohrt. Der Fels ist erstklassig (lediglich eine etwas hohle Stelle in der 1. SL von Dionysos 5b, die mittels leichtem Linksbogen elegant umgangen wird) und unglaublich rau, die Bohrhaken sind in wirklich humanen Abständen gesetzt und eröffnen auch dem Anfänger stressfreie und motivierende Optionen (s. Foto Routenübersicht).
Reini ist auf der Erschließerskala zwischen Techniker und Künstler tief im letzteren Bereich zu suchen. Seine Seele gehört den sonnseitigen Platten von Dachstein und Sengsengebirge. Wer etwa seine wunderschönen, melancholischen Routen am Rohrauer Größtenberg klettert, wird alsbald erkennen, dass ihm Farbgebung und Kontraste zwischen Fels und Himmelsblau, zwischen Blumen und Schmetterlingen ebenso wichtig sind wie gekonnte Linien oder Griffformen. Als hervorragender Allroundkletterer widmet er sein unermüdliches Schaffen vermehrt auch Genusskletterern und Einsteigern. Er hängt die Unzahl seiner Neutouren nicht an die große Glocke, verrät bei persönlichem Kontakt aber gern viele seiner Geheimnisse. In den Felsen über Baška hat er wieder einmal ein Paradies gefunden.
Mittlerweile gibt es schon wieder einen neuen kleinen Sektor, Sea Bag, noch etwas weiter südlich oberhalb des Wanderweges zum Vraca-Sattel:
Scirocco 4+ Pink Lady 6b
Newara 4 Drag Queen 6a+
Bora 4 Play Boy 6a+
Oldie 5 Chick 5
Black Beauty 5+ Chicken Run 5+
Links anschließend werden in nächster Zeit sicher noch etliche andere folgen.
Weitere Tourenvorschläge rund um Baška:
Bolacovica-Schlucht „Waidhofer Weg“ 2+
Obzova - Kap Škuljica
Pag - Stogaj
Pag ist vielleicht die eigentümlichste der weit über tausend kroatischen Inseln - ein wüstenhafter, parallel zum Velebit im Meer versunkener Gebirgskamm. Form und Lage können am besten vom höchsten Gipfel der Insel erschaut werden - dem Sveti Vid.
Kletterer werden ihr persönliches Segment auf der Halbinsel Zaglava ähnlich charakterisieren - auch das einzige Klettergebiet auf Pag nimmt im Vergleich zu den übrigen sechs Dutzend in Kroatien eine Sonderstellung ein. In der südwestlichen Flanke des 218 m hohen Panos zeigt sich die bemerkenswerteste Wandbildung der Insel, Schaustück ist der 60 m hohe Felsturm Stogaj, an und um den sich vier eingerichtete Sektoren mit 20 Routen zwischen 4a und 6c+ befinden. Schon am Zustieg fühlt man sich nach Island oder einem noch entfernteren Ende der Welt versetzt. Aus dem satten Grün rund um die Konoba Kanjon, einen Kilometer sö. des Dorfes Metajna, gelangt man mit wenigen Schritten in eine Mondlandschaft, die zur maßlosen Steigerung der Kontraste langsam in die unbeschreiblichen Farben des Meeres abgleitet. Nimmt man auf Anhieb nicht den kürzesten Weg zu den Kletterrouten und gerät zu weit in die Schlucht Richtung Slanabucht hinunter, findet man sich in einem Geologie-Thriller der Sonderklasse wieder. Alle paar Meter wechselt der morphologische Schauplatz - zwischen allen erdenklichen Kletterbühnen zwischen Meteora und Zentraliran. Man kann es kaum erwarten, diese Formen und Strukturen anzugreifen und auszuprobieren.
Wie im wirklichen Leben folgt aber auch hier der Dämpfer, wenn's besonders schön ist: Das Hakenmaterial entspricht längst nicht mehr unserem gewohnten Standard, die teils eigenartigen Bolts entstammen einer schwer definierbaren Generation. Die Bora sprüht fein verteiltes Meerwasser auf die kargen Kräuter der Insel; diese Zusammenarbeit der Elemente verhilft zwar Schaffleisch und -käse aus Pag zu internationalem Ruhm, auf die Bohrhaken und Kettenstände wirkt sich das Salz leider weniger genial aus.
Uns hat einsetzender Landregen mit gehörigen Sturmböen die Entscheidung abgenommen, in diesem Traumgebiet zu klettern oder nicht. Bitte trotz allem unbedingt vorbeischauen, wenn ihr in der Nähe seid, und sei's nur zum Baden oder zur Besteigung des Sveti Vid. Vielleicht verliebt sich jemand in dieses Jules Verne-Szenario und saniert und erweitert das Gebiet - in den ersten 10 von bislang 450 Klettermetern (Sektor A, Absolute beginner 4b) glänzen bereits neue Nirosta-Bügel.
Literatur: Čujić, Boris: Croatia Kletterführer, viersprachig. Zagreb: Astroida 2014.
www.climbinbaska.com informiert über neue Sportkletterrouten und alte Klassiker des Gebietes.
Weitere kroatische Klettergebiete auf nature-classic:
Kroatien - Klettergärten 1. Istrien
Kroatien - Klettergärten 3. Der Süden
Kroatien - Klettergärten 4. Biokovo
Kroatien - Klettergärten 5. Konavle - der äußerste Süden
Kroatien - Klettergärten 6. Der Norden und Osten