Gr. Tragl, 2179 m
Vom Zentralplateau durchs Langkar in den Geisterwald.
Totes Gebirge, Tauplitz, Steiermark. Aufstieg 1500 Hm.
Greith, nö. Tauplitz – Niederblas – Lahnergrube – Steirerseehütten - Steirerseeleiten – In den Karen – Jungbauerkreuz – Traglhals – N-Flanke aufs Große Tragl – Ü Bartlrücken – Ü Scheiblingtragl – Abfahrt NO-Flanke – Haberboden – Gaßlrücken – Langkar – Geisterwald – Ödernalm – Flecklmoos – Öderntal – Albrechtshütte – Sandgrube 1 km nnö. des Kochalmbauer, hier zweites Kfz, 6 km nach Bad Mitterndorf.
Im Zeitalter des rasenden (oder vielmehr stauenden) Individualverkehrs wundert sich kein Tourengeher mehr, wenn er auf manchen Routen bei Schönwetter Dutzenden Gleichgesinnten begegnet. Kaum einer würde aber vermuten, dass einige legendäre Abfahrten bereits vor dem Zweiten Weltkrieg an schönen Wochenenden von mehr als hundert begeisterten Schneeschuhläufern bevölkert wurden – und das weit weg von den Ballungszentren. Zwei Grundvoraussetzungen dafür waren gute Bahnanbindung und für den damaligen Ausrüstungsstand nicht allzu hohe technische Schwierigkeiten; die damaligen Paradetouren im Toten Gebirge hießen Loigistal zwischen Wurzeralm und Vorderstoder und Traglabfahrt zur Tauplitz.
Auf unserem unstillbaren Hunger nach Neuem gehen wir eher selten ein und dieselbe Tour zweimal. In diesem Fall schwärmt Erich jedoch schon Jahrzehnte lang vom speziellen Charakter der Geisterwaldabfahrt. Wir sind in der Gegend, Thomas und Chrissy stellen das zweite Auto, und so packen wir die Gelegenheit beim Schopf und begeben uns auf eine außerordentliche Reise durchs steirische Salzkammergut. Wir umrunden praktisch das gesamte Tauplitzmassiv zwischen Lawinenstein und Tragl und sind gespannt auf die Dinge, die sich hinter den Kulissen dieses altbekannten Schigebietes verborgen halten.
Den Schizirkus umgehen wir allerdings weiträumig. Nicht der längste Sessellift Europas transportiert uns bergwärts, die eigenen Beine bringen uns hinauf, und zwar vom Ortsteil Tauplitz/Greith gleich direkt zu den Steirerseehütten. Schon hier verstehen wir, warum sich auch die Alten schon unbedingt Bretter an die Füße schnallen mussten – drei gegensätzliche Geländeformen, welche harmonisch ineinander verschmelzen: die perfekten Schihänge der Steirerseeleiten, die einladenden Steilflanken von Traweng und Steirertörl, überragt vom Dolomitenkletterspitz des Sturzhahn. Eine halbe Stunde später haben wir eine Gruppe von etwa zwei Dutzend Tourengehern eingeholt, mitten unter der Woche. Hier, wo sich das Gelände nachhaltig verflacht, gibt’s eine Abkürzung zum Kleinen Tragl hinauf, allerdings gegen 50° steil, unterm Schnee liegt das Himmelreich begraben, eine Genussklettertour im vierten Schwierigkeitsgrad (weitere Informationen und Bilder dazu auf der Homepage von Martina und Peter, siehe auch unter Literatur).
Zehn Minuten später passieren wir das Jungbauerkreuz, um welches sich ein altes Horrorgschichtl rankt: Vor Jahrzehnten stürzte ein Tourengeher in eine der vielen mehr oder weniger zugeschneiten Dolinen des Gebietes. Im darauf folgenden Sommer bildeten Arbeitskollegen einen Bergungstrupp, um den Leichnam des Verunglückten wieder an die Oberfläche zu holen. Ein Mitglied des Teams wurde mittels eines Stahlseilgerätes bis in eine Tiefe von etwa 300 m abgelassen. Sterbliche Überreste wurden keine gefunden, lediglich das entfernte Tosen unterirdischer Flüsse begleitete die makabre Fahrt. Diese Geschichte liefert einen Grund mehr, sich bei Touren über die Hochfläche - selbst in der Ära des GPS - an die Stangenmarkierung zu halten.
Die folgenden Eindrücke lassen sich kaum in Worte fassen, wir verweisen auf die Bilderreihe. Dort wird auch verraten, dass wir die Abfahrt noch hinausgezögert haben und vom Tragl erst noch hinüber auf Bartlrücken und Scheiblingtragl gepilgert sind. Auf diesen abgelegenen Kuppen haben wir uns geschworen, bei nächster Gelegenheit endlich die Gesamtüberschreitung des Toten Gebirges anzugehen.
Für die Abfahrt schnell noch zwei Tipps: Am Ende des Haberbodens so hoch wie möglich links um den Gaßlrücken queren (oder event. westlich das Kitzloch ansteuern; gerade hinunter zu schwingen ist verlockend, endet aber in unpässlichem Gelände). Die Geisterwaldabfahrt sieht nur einen Bruchteil der Traglbesteiger, der überwiegende Teil dieser Gespenster zieht den 400-Hm-Gegenaufstieg von der Ödernalm übers Öderntörl zurück auf die Tauplitzalm dem langen Öderntal Richtung Bad Mitterndorf vor. Auf der Karte seht ihr, wo das Fahrverbotschild steht, geräumt ist meist bis zur Albrechtshütte.
Literatur: Schall: Genuss-Schitourenatlas Österreich Ost. Wien: Schall.
Auferbauer: Schitouren-Paradies Steiermark. Verlag Styria Graz, Wien, Köln 1997.
Heitzmann, Skitouren vom Gesäuse bis zum Salzkammergut. Graz: Steirische Verlagsgesellschaft, Edition Gutenberg 2002.