Drei Brüder, 2266 m

Angewandte Lawinenkunde am Schafelkopf.

Glocknergruppe, Bruck an der Glocknerstraße, Salzburg. Aufstieg 1100 Hm.

Auffahrt am Güterweg Kesselrieß (vom Bahnübergang Haus, B311 ca. 3 km östl. von Bruck) bis zum P auf ca. 1000 m – Forststraße bis zur Erlhofalm (gut 5 km, obersten Bogen abkürzen, oft präpariert, bei der Abfahrt sehr flüssig) – von hier am Normalweg über schönes Almgelände und durch die auffallende, leicht geschwungene Rinne zwischen Breitkopf (links) und Schafelkopf in die Scharte und auf die Gipfel; unsere Schneebrett-Variante im benachbarten Kar etwas weiter westlich, s. Karte und Fotos.

ÜbersichtKarte ZustiegDetailkarte vom Gipfelbereichdie Drei Brüder von NW, aus dem Ort Bruck ...... und von N (Erlhofalm)

Die Drei Brüder Breitkopf, Schafelkopf und Stolzkopf haben ihren versteckten Familiensitz im nordöstlichsten Teil der Glocknergruppe und werden hauptsächlich von Einheimischen besucht. Von Süden, aus dem etwas abgelegenen Sulzbachtal - mit etlichen schönen Tourenmöglichkeiten, beispielsweise dem Kreuzköpfl - zeigen sie sich zusammen mit dem östlich benachbarten Archenkopf in symmetrisch planen Firngewändern. Auf der Nordseite, im engen Tal der Salzach zwischen Bruck und Taxenbach, schützt ein breiter Waldgürtel vor zudringlichen Blicken. Erst auf der idyllischen Erlhofalm staunt man über die ungewöhnlichen, beinahe dolomitischen Felsformationen und kann sich schon auf eine rassige Abfahrt freuen – allerdings nur bei sicheren Schneeverhältnissen.

Drei Brüder von SW (Hoher Tenn) ...... und von S (Kreuzköpfl), wo sich ein völlig anderer Charakter zeigt als an der bizarr-düsteren Nordseite

Der Ausnahmewinter 2009/10 lässt lange auf eine konsolidierte Schneedecke warten, über viele Wochen hinweg gehen sämtliche relevanten Parameter störrisch eigene Wege und nehmen kaum Rücksicht auf die Wünsche von uns Tourengehern. Überall das gleiche Bild: eine kalte Gleitschicht oder umgewandelte Becherstrukturen als Kugellager – auf die eine oder andere Art sind alle Hangrichtungen betroffen. Allein in der laufenden Woche finden zwischen Ötscher und Vorarlberg elf Menschen durch Lawinenabgänge den Tod. Schnee ist ein unglaublich komplexes und daher hochinteressantes Medium, das auch vor Profis keinerlei Respekt zeigt. Selbst umfassendste theoretische Kenntnisse und jahrzehntelange praktische Erfahrung werden in Einzelfällen ganz einfach - - - . Zugedeckt.

die Erlhofalm mit den beiden höchsten Brüdernder übliche Aufstieg in den Sattel zwischen Breitkopf (links) und Schafelkopf ist uns heute nicht ganz geheuer

Der Normalweg erscheint uns heute nicht ganz koscher, obwohl die fantastische Muldenrinne gestern schon unfallfrei befahren worden ist – auch ein angespurter Hang kann nicht vor Überraschungen schützen. So schnuppern wir ins große, flache Kar rechts vom Schafelkopf hinüber. Dort oben steilt sich der Hang nur relativ kurz zu einer Wandstufe auf, die wir eventuell zu Fuß überwinden wollen. Darüber zieht ein nur mäßig geneigter Hang zum Gipfelgrat empor.

wir ziehen nach rechts ins benachbarte Kar hinüberdie Spur zieht gegen den Stolzkopf, den westlichsten der Drei BrüderUlli befindet sich in Gipfelfalllinie des Schafelkopf, links in der Sonne der BreitkopfDetail des Lawinenabgangs, rechts oben der AuslösepunktBlick vom Auslösepunkt zurück auf Ulli, die einen angemessenen Entlastungsabstand einhält

Wenige Meter unterhalb der Steilfelsen. Ein Schritt, eine halbe Schilänge über die flache Kante des trennenden Sporns. In beeindruckender Plötzlichkeit sind unendlich viele Schneekristalle einer Meinung. Leise, aber gemeinsam reißt die lagernde, unfassbare Energie direkt am Wandfuß fünf Meter oberhalb ab, rutscht zügig, aber keinesfalls gehetzt die angeeiste Gleitfläche ins Kar hinunter. Die Beine ragen aufrecht im Fluss, gut einen Meter vom Rand entfernt. Gebannte Aufmerksamkeit heftet sich an diese ungeheure spürbare Kraft. Der Bauch allein empfiehlt blitzartig eine Fluchtfahrt nach links hinaus, nein, er korrigiert, die Farben wechseln vom Tod zum Leben, von Gewalt zum schnurrenden Kater, der um die Beine schleicht. Hier oben nur eine Kostprobe, dort unten im Auslauf der dumpfe, tonnenschwere Stau.

ganz knapp am Ansatz des steilen Felsgürtels reißt das Schneebrett an, ...... holt sich noch Verstärkung hinter dem Felseck Mitte rechts ...... und ergießt sich über 140 Hm ins Kar hinunterdie Situation nach dem Abgang; der relativ schmale primäre Anriss verbreitert sich nach dem Felseck erheblich und verdreifacht die RutschungErich bei der Abfahrt entlang des Schneebretts - um eine Erfahrung reicherauch Ulli ist glücklich über die glimpflich verlaufene Vorführungmorgen nicht mehr so steil unterwegs
(31.01.2010)

Literatur: Schranz: Hohe Tauern. Die schönsten Schitouren. Innsbruck/Wien:Tyrolia 2005.

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