27 Seillängen, 1000 Klettermeter. 55-m-Doppelseil, 7 Express.
Allgemeine Infos und Zustieg siehe Rotgschirr-Übersicht.
Bei der Querung zum Wandfuß entdeckt man im Schutt einen großen Block mit eingekerbtem +. Auf gleicher Höhe befindet sich der klassische Einstieg (BH, Taferl NW-Pfeilerkante, oft lange unter Schnee), 30 m unterhalb der Direkteinstieg von Odysseus.
Topo pdf (2,71 Mb)
Schon am Almsee ist der monumentale Rotgschirr-Pfeiler der erste Blickfang in der langen Reihe abenteuerlicher Gipfel von den Hetzaukögeln bis zur Almtaler Sonnenuhr. Ernsthafte Versuche an dieser eleganten Himmelskerze sind gezählt, lassen sich aber bis in die Zwischenkriegszeit zurückverfolgen. So zieht etwa das Duo Huber/Rösler 1932 eine Route im 5. Grad aus dem hintersten Talschluss diagonal durch die Nordwand auf die obere Pfeilerkante und durch die Kaminreihe der Gipfelwand. In den 60er-Jahren klettert die Seilschaft Grimmlinger/Friedl aus dem Ahornkar im Zickzack an die mittlere Pfeilerkante und über diese und den Huber/Rösler-Weg zum Gipfel. Die einheimischen Grünauer Kletterer halten sich in ihren Aktivitäten noch immer recht bedeckt. 2009 bereichert der Linzer Leo Wurstbauer mit Freunden im Nordwestwandtrichter (östlich unseres Pfeilers) mit dem Längsten Tag, 6+, das Angebot um eine weitere 27-SL-Tour.
Unsere NW-Pfeilerroute ist als Zusammenklang von Moderne und Klassik gedacht, eine Mischung aus Sport- und Alpinklettern. Odysseus zieht als 10-SL-Baseclimb geradlinig zur Pfeilerkante hinauf, die anschließenden 7 SL bis zur Kantenverflachung haben wir bis auf die gebohrten Stände (und einen ZH) im Urzustand belassen, der Aufschwung zum Pfeilerkopf sowie die Gipfelwand wurden begradigt und wieder relativ gut abgesichert. Die ersten 3 SL des rechten Einstieges decken sich großteils mit der klassischen Route Grimmlinger/Friedl und geben beredtes Zeugnis vom herben Stil der Pioniere. Ab der Einmündung von Odysseus (3. Stand) quert der alte Weg aber noch weiter über die rasigen Bänder nach links an den schrofigen unteren Kantenteil; schon vom Hinsehen allein begreift man, weshalb die Route so gut wie nie wiederholt worden ist.
Ab 2001 arbeiten wir uns 9 Jahre lang Seillänge für Seillänge empor, erhöhen nach und nach die Zahl der Zwischenhaken, putzen in den Schrofen was das Zeug und die Finger halten, verschaffen uns einen Überblick über den gesamten Kantenverlauf und die Gipfelwand. Neben außergewöhnlich schönen Wasserfraß-Passagen treffen wir auch auf etliche grasige Abschnitte; bezüglich Felsqualität kann der Pfeiler insgesamt nicht ganz mit den benachbarten Verschneidungen mithalten. In 11 Einsätzen haben wir so ziemlich alles erlebt, was einem beim Erschließen und Sanieren in einer Hochgebirgswand widerfahren kann: so manche Irrfahrt unter den verführerischen Gesängen der Sirenen, das Gebrüll von Skylla und Charybdis in den infernalischen Sommergewittern, die zweimal unsere bis zu 21-stündigen Arbeitseinsätze unterbrechen …
Dazu ein paar Auszüge aus unserem Tourenbuch:
... 6 h für zwei Seillängen. Meist kompakte, glatte Platten in harten Grasnarben. Permanentes Abenteuer, Bohren in unmöglichen Stellungen, mobile Sicherungsmittel nur an den Ständen anzubringen. Schwieriger als erwartet ...
... Erich wundert sich jedes Mal wieder, wie er da letztes Mal heraufgekommen ist ...
... in der 4. SL beim Abseilen nachträglich 3 Zwischenhaken gebohrt, um neuerliche Wiederaufstiege menschlicher zu gestalten ...
... Rückzug wegen Schlechtwetters. Nur 5m weiter gekommen als im vorigen Monat, jedoch die vorhandenen SL gut geputzt (Harke!) ...
... beim Abseilen kraftaufwendiges Entfernen zahlreicher Rasenpolster und Freilegen vieler beim Aufstieg noch nicht vorhandener Haltepunkte ...
... aufgrund der drohenden Wetterverschlechterung wird aufs Biwak verzichtet, das Zeug eingesammelt und wieder ins Tal geschleppt. Ankunft Parkplatz 22.15 Uhr ...
... 3 Tage später: Erstbegehung der 6. SL, wiederum Regen- und Hagelschauer, in denen Ulli am Stand 2,5 h verharrt ...
... Seillängen 7 - 9: im Urzustand trotz vieler relativ einfacher Passagen moralisch anspruchsvoll, teils sehr schrofig und oberflächlich brüchig. Beim Abseilen 8 Zwischenhaken gesetzt, beim Ausputzen kommt aber nette Kletterei zum Vorschein ...
So ist Odysseus von Jahr zu Jahr besser gangbar geworden. Wir haben uns bemüht, die schönsten Plattenzonen aus dem Dornröschenschlaf zu wecken und dabei eine halbwegs gerade Linie zustande gebracht. Andererseits wurde dieser großen klassischen Kante nicht alles Abenteuer aus dem Leib saniert. Erst im oberen Teil, also im Lauf des Nachmittags, tauchen langsam wieder Bohrhaken auf, die sich gegen Ende zu einer vergleichsweise fast pläsiermäßigen Absicherung verdichten. Zu diesem Zeitpunkt aber wird sich der Großteil der Begeher darüber eher freuen. Wir hoffen, das rechte Lot gefunden zu haben.
Achtung: Am Wandfuß können sich lang beträchtliche Schneemassen halten, sodass der klassische (rechte) Einstieg manchmal nur „unterirdisch“ erreichbar ist - Vorsicht wegen des möglichen Einsturzes der Schneemünder. Falls man über den Odysseus wieder abseilen möchte: Im Frühsommer sind Steigeisen keine schlechte Idee. Nicht bei Nässe einsteigen, dann allenfalls den rechten E benützen.
Alter NW-Pfeiler-Einstieg Grimmlinger/Friedl, saniert:
1. SL: Nette Plattenwand, in leichtem Zickzack zu Stand am Beginn eines Schrofenbandes, 5-.
2. SL: Kurze Verschneidung, 4, dann links auf Schrofenband an BH vorbei, 2, kurze Stufe aufs überdachte Latschenband, 3, auf ihm nach links kriechend ans Dachende.
3. SL: Grasband links aufwärts. Wir haben hier ein Fixseil gespannt, weil das Gras bei morgendlicher Nässe unangenehm sein kann. - Kurzer Quergang nach links, 3+, das letzte Stück besser an kleinen Tritten unter dem Graspolster bleiben, zu Stand unter kleinem Dach in der Verschneidungsrinne. Von unten Einmündung von Odysseus.
Neuer direkter Einstieg - Odysseus, 2009:
1. SL: 30 m unterhalb des alten E den 2-m-Riss hinauf, 2, aufs waagrechte, zu Beginn schuttbedeckte Band, auf ihm 10 m nach links zu Stand mit Taferl.
2. SL: Den Überhang leichter als gedacht hinauf, 5+, links zu großem Rasenpolster und gerade empor, 4+, zum Stand mit 3 BH.
3. SL: Den Riss gerade hinauf zur steilen Wasserfraßplatte, 4+, in super Kletterei links darüber hinweg, 6, und auf einen schmalen Kopf, 4-. Die folgende steile Verschneidungsrampe, 6-, ist zwar sehr rau, aber bei Nässe trotzdem etwas weit gebohrt.
4. SL: Die oft feuchte, aber raue Rinne bis an ihr Ende ("aufgebockter" BH, 4), rechts delikat auf schöne Wasserfraßplatte hinaus, 5+, darüber kurze steile Wand in überdachte Bucht, 4, links Stand.
5. SL: Kurze Rissverschneidung empor, 4-, 3 m auf Rasen nach links, erst in der Verschneidung, dann an ihrer linken Kante steil auf Leiste, 5, daran einige Meter links und über geputzte Stufe zum Stand, 3.
6. SL: Den BH folgend über die unglaublich geschlossene senkrechte Wand, 8 (5 A0/A1). Wo sie sich verflacht leicht rechts über eine kleine Rillenplatte, 6, danach wenige Meter Schrofen zu Stand am Fuß des nächsten Aufschwungs. Beim Einbohren war dies die anstrengendste Länge, wir schaffen sie nur A0, gratulieren den ersten freien Begehern und warten gespannt auf Berichtigung des Bewertungsvorschlages.
7. SL: Links einen kompakten Plattenstreifen empor zu Sanduhr, 5, in den Schrofen darüber (BH) am besten rechts und über eine Stufe links zurück zum Stand, 3.
8. SL: Abermals links unter Verschneidung, darin bis zum Stand hinauf, 6-, oder leichter die obersten Meter rechts in den Schrofen umgehen, 4.
9. SL: Links zum Türmchen, Spreizschritt nach links an seine Spitze, 5-, die folgende Verschneidung zum Stand auf Band, 4.
10. SL: 5 m nach links, den Haken folgend hinauf, erst 6+, dann leichter, in die Halbhöhle; haarig links hinaus in den überhängenden Riss, 7- (6 A0) und darüber leicht links einfach zum Buchstand. Ende von Odysseus, Abseilen von hier problemlos möglich.
NW-Pfeilerkante und Gipfelwand:
11. - 17. SL: Gleich vom Buch weg ist eine Latschengasse ausgeschnitten. Mehr oder weniger plattige Kante mit vereinzelten Latschenabsätzen und guten, gebohrten Ständen (je 2BH). Bis auf einen ZH in der 15. SL müssen alle Zwischensicherungen selbst gelegt werden; Schwierigkeiten 2 - 5.
18. SL: Die letzte steilere Kantenlänge. Links der überhängenden Schneide den wieder einsetzenden BH und SU folgend zu Stand an Wasserrillenstufe mit spitzem Höcker.
19. SL: Erstaunlich flache Wanderung über den runden Kamm mit zarten Junglatschen, 2, nächster Stand links unterhalb der sich wieder verschärfenden Schneide.
20. SL: Flaches Gratturnen bis zum Steilaufschwung des Pfeilerkopfes, 2.
21. SL: Gerade hinauf (3+, wie der BH-Fremdling hierher kommt, ist uns bis heute schleierhaft) an den ausgesetzten Stand knapp unterm Pfeilergipfel.
22. - 23. SL: Die fehlenden 2 m auf den Gipfel, jenseits die flache Plattenverschneidung hinunter, 2. Links auf einen waagrechten Latschensims und weiter aufs Plattendach des Pfeilerkopfs hinaus, an ihm hinunter und rechts um die kleine Lokomotive herum in den Sattel vor der steilen Gipfelwand, Gehgelände. Über Schutt kurz hinauf in eine Wandbucht.
24. SL: Die fantastische Rohrrille hinauf, unterm abschließenden Überhang rechts hinaus, 6+, in kurze, etwas schrofige Verschneidung, 4. An ihrem Ende nach links und über 2 Aufschwünge, 5, zum Stand.
25. - 27. SL: Gut geputzte, nette Plattenstufen, 4, zum Fußpunkt des Kaminschlotes. Erst an der plattigen, rechten Außenkante, dann kurze, genüssliche Schluchtverschneidung. Zuletzt durch den schottrigen Tobel zum bissigen Schlusswandl, 6+ oder mehr. Oder schon vorher links hinaus, 2, zum Ausstieg.
Von dort die Gipfelflanke 250 Hm empor oder vorher auf bequemen Bändern rechts absteigend oberhalb des Damokles-Ausstiegs (deutlich erkennbar das Schwert) zu den roten Punkten und Steinmännern in Richtung Röllsattel (ca. 1 h).