Triglav, 2863 m. Ost-West-Überschreitung
Umrahmung der Riesenwand Zlatorogs.
Julische Alpen, Mojstrana/Savetal, Slowenien. Aufstieg 2000 Hm.
Aljažev dom, Vratatal, ca. 10 km sw. Mojstrana – Pragweg (Klettersteig) – Kotel-Hochfläche – Triglavski dom – NO-Sporn auf den Kl. Triglav (Klettersteig) – Übergang Triglav – S-Sporn – Übergang Plemenice – Bambergweg (Klettersteig) zum Luknja Pass – Vratatal.
Der sagenumwobene „Dreiköpfige“ wurde schon erstaunlich früh erstiegen, im August 1778, von einem Apotheker, einem Jäger und zwei Bergknappen. Die berühmte Nordwand zählt zu den höchsten der Ostalpen, vergleichbar mit den gigantischen Mauern an Watzmann, Schermberg, Birnhorn, Hochwanner oder Hochstadel. Sie wirkt mit seinen fünf Hauptpfeilern als architektonisch geschlossene Einheit. Wir wollen ihr am leichtesten der klassischen Anstiege, dem Slowenischen Weg (II – IV) zu Leibe rücken – beinah respektlos in Wanderausrüstung ohne Seil. Zlatorog, der Rübezahl dieser Berge, wird uns schnell wieder auf den Pragweg hinunterschicken: Vor uns steigt eine Dreierseilschaft in voller Montur ein, Erich folgt den Slowenen bis zur ersten Terrasse hinauf, klettert aber sofort wieder ab. Die nicht sehr vertrauenerweckenden Felsen des Einstieges sind von den intensiven Regenfällen des Vortages noch nicht wirklich trocken. Wir haben die richtige Entscheidung getroffen – der Nebel wird sich heute erst gegen 15.00 Uhr aus der Wand verziehen - und außerdem eine Menge mehr gesehen als erwartet.
Anstatt durch die Wand zu klettern, haben wir sie im Uhrzeigersinn umkreist – ein langwieriges aber abwechslungsreiches und lohnendes Unternehmen. Die Julier gelten seit jeher als Klettersteigparadies, ihr höchster Gipfel wurde spöttisch sogar schon „Stachelschwein“ genannt, wegen der Unzahl an Eisenstiften in seinem Leib. Schon am hübschen Pragweg finden sich Klettersteigeinlagen, schnell gelangt man anschließend über eine karstige Hochfläche und die harmlosen Reste des Triglavgletschers zum Triglavski dom.
Der NO-Sporn auf den Kl. Triglav ist wieder eine typische „Stachelschwein“-Etappe. Am scharfen Gratübergang zum Hauptgipfel gibt’s fast durchgehend Seilgeländer, immer wieder sprießt überraschend vielfältige Blütenpracht aus den Ritzen der exponierten Schneide – in dieser Höhenlage ein Privileg der Südalpen. Am Gipfel dann ein turmartiges Blechhäuschen wie aus einem Münchhausenfilm, 1895 auf Betreiben des bergbegeisterten Pfarrers Jakob Aljaž als eher fragwürdiger Schutz vor Unwettern errichtet.
Nach dem südseitigen Abstieg landen wir wieder auf einer begrünten, karstigen Hochfläche. Hier setzt das unerwartet furiose Finale an: Der sogenannte Bambergweg führt höchst aussichtsreich mit mehreren Gegensteigungen zum Luknja Pass hinunter. Auf der Schneide zwischen den sonnigen Ausläufern des Sočatales einerseits und der eindrucksvollen Triglav Nordwand zur Rechten, Auge in Auge mit der Sphinx, turnen wir einen Pfeiler nach dem anderen in die Tiefe. Immer wieder müssen im Abstieg auch ungesicherte Passagen bis zum 2. Grad bewältigt werden, in puncto Schwierigkeit vergleichbar etwa mit dem Peternpfad im Gesäuse.
Vom Pass führt der Steig wieder zahm über eine Schuttreiße zurück ins saftige Grün des Vratatales, von wo wir endlich einen ungetrübten Blick auf die annähernd drei Kilometer breite Riesenwand werfen können.
Wer Lust auf mehr verspürt: Das gewaltige Felsfenster am nahe gelegenen Prisojnik muss man eigentlich gesehen und durchstiegen haben!
(05.07.2008)
Literatur: Schöner: Alpenvereinsführer Julische Alpen. München: Rother.