Adlerwand, 2391 m. Ostgrat, 3-
Überschreitung einer Ikone der Lienzer Bergsteiger.
Gailtaler Alpen, Lienzer Dolomiten, Tristach bei Lienz, Osttirol. Aufstieg inkl. Gegenanstiege insges. 1400 Hm, davon Grathöhe ca. 350 Hm.
P an der Lienzer Dolomitenstraße auf etwa 1200 m, ca. 1,2 km nach der Mautstelle beim Ghf. Kreithof - Forststraßen aufs Lavanter Alpl - mark. Kolmsteig - Kolmsattel - Auslauf Kolmklamm - Querung und Abstieg am Nordwandfuß zum Einstieg - Ostgrat Adlerwand - Abstieg SW-Grat (Normalweg, 2) - Adlerwandschartl - Kolmklamm - P.
Die Adlerwand ist eine der zahlreichen, pittoresken Felsgestalten im Keilspitzmassiv zwischen Sandspitze und Hochstadel, zwar um gute 300 m niedriger als die nahen Hauptgipfel, aber doch etwas Besonderes. Sie tritt aus dem Gewirr skurriler Felskulissen über Kolm- und Halsklamm weit gegen Nordosten hervor und ist - anders als die meisten benachbarten, grotesken Figuren - gut vom Lienzer Talboden aus zu identifizieren. Schon der Normalweg ist, besonders für Gebietsneulinge, eine abenteuerliche Angelegenheit, die sich mit unserer Überschreitung noch spannender gestaltet.
In allen Teilen der Lienzer Dolomiten werden wir mit landschaftlichen Höhepunkten verwöhnt, beim Aufstieg zum Lavanter Alpl betritt man nochmals eine andere Welt: Die Aufblicke ins wilde Steinkar oder die Märchenwiese am Kolmsattel allein würden den Besuch dieses abgelegenen Winkels lohnen. Für nicht Eingeweihte stellt sich dann am Einstieg die Frage nach der richtigen Rinne, helfende Steinmänner wird man hier ebenso wenig finden wie Haken oben am Grat. Einmal auf der Schneide angelangt dürfte die Wegfindung kein Problem mehr sein, die „klassische“ 2er-Bewertung in der Literatur sollte man aber nicht unterschätzen, immerhin haben wir auf drei, vier Seillängen gesichert. Der Gipfel beschert königliche Aussicht, besonders auf die zum Greifen nahe Hochstadel-Nordwand.
Der Abstieg am Normalweg (Südwestgrat, 2) wird sichtbar häufiger begangen als der Ostgrat (wir sind heuer die zehnte Partie auf dem Gipfel, die erste über den Ostgrat), Farbpunkte und ein gebohrter Abseilhaken im versteckten Kamin, der sich aber auch gut abklettern lässt. Wer noch Muße und kein Gewitter im Nacken hat, kann ab Adlerwandschartl die Tour noch über Kolmgrat (3+, s. Peterka-Führer) und Hals verlängern. Wir steigen aber direkt in die Kolmklamm ab und erleben kurz davor eine letzte Überraschung: Im Kamin unter dem überhängenden Schichtkopf hängt an einem windigen Klemmblock ein dreiadriges Stromkabel aus der Hauselektrik; der fast durchgescheuerte Mantel gibt Zeugnis davon, dass daran tatsächlich abgeseilt wird.
Literatur: Zlöbl: Lienzer Dolomiten - Karnische Alpen. Tristach: Zlöbl 1999.
Peterka/End: Alpenvereinsführer Lienzer Dolomiten. München: Rother 1984. Vergriffener Klassiker, manchmal noch antiquarisch zu bekommen.