Hochtor, 2370 m. Peternpfad - Rosskuppengrat, 2+
Zwei Oboisten (?) auf einem der schönsten Ostalpengrate.
Gesäuse, Gstatterboden, Steiermark. Aufstieg insges. 2000 Hm.
P Haindlkar, gut 2 km sw. v. Gstatterboden (B146 zwischen Admont und Hieflau) – Haindlkarhütte - Peternpfad - Peternscharte - Rosskuppe - Dachl - Hochtor - Gugelgrat („Josefinensteig“) - Hesshütte - Koderalmen - Johnsbach. Vom Hochtor auch über den Schneelochpfeiler direkt nach Johnsbach, oder von der Hesshütte nach N über den Wasserfallweg zurück ins Ennstal. Details siehe Bildtexte.
Den mauerglatten Wänden über einer der tiefsten Schluchten Europas, dem eindrucksvollen Gesäuse in den Ennstaler Alpen, ist man schnell verfallen. Nicht nur Einheimische haben diesen fantastischen Felsbergen ihr Leben verschrieben, die Wiener Kletterzunft hat schon vor vielen Jahrzehnten den heutigen Nationalpark zu ihrer Hochschule erklärt. Neben einer Vielzahl von berühmten Kletterrouten bietet das Gesäuse auch jede Menge attraktiver Hüttenübergänge und Felssteige - der begehrteste ist wohl der Peternpfad,
... jener sagenhafte Durchstieg vom Haindlkar aus, der unter den Wänden des Hochtors, zwischen Planspitze und Rosskuppe, auf die Peternscharte führt. In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts war dieser Durchstieg auf spärlichen Wildpfaden nur einem berüchtigten Wildschützen, dem „Schwarzen Peter“ bekannt und lange Zeit sein sorgsam gehütetes Geheimnis.
(Hans Schwanda: Das Gesäuse. Von der Alpenstange bis zum VII. Grad. München: Rother 1990)
Der „Schwarze Peter“ ist noch heute eine Legende im Gesäuse. Immer, wenn ihm die Jäger und Gendarmen schon hart auf den Fersen waren, verschwand er in der schaurigen Schlucht unterhalb der Rosskuppe, um wenig später wieder drüben im Johnsbachtal aufzutauchen. Die Leute glaubten, er stünde mit dem Teufel im Bunde ...
(Wolfgang Heitzmann: Gesäuse. Linz: Landesverlag 1989)
Sicher nicht den Schwarzen Peter gezogen hat Hannes bei der Auswahl seines Führers auf der ersten Klettertour seines Lebens. Sebastian ist wahrscheinlich der begnadetste Alpinpädagoge aller Zeiten, hat zahlreichen Eleven die Welt der steilen Wände schmackhaft gemacht und gilt als wandelndes Archiv ulkigster Berganekdoten, in denen er oftmals selbst bis zum Hals verstrickt ist. Unsere beiden Protagonisten sind gleichzeitig auch Berufsoboisten (O-Ton Sebastian:„Was auch immer das sein mag ...“); während Sebastian in namhaften Wiener Orchestern gerne seinem Freund den Vortritt lässt, übernimmt am Peternpfad jedoch eindeutig er die erste Stimme. Seiner Berufung als Felsmessias entkommt er trotz des frühen Aufbruchs auch heute wieder nicht: Am Einstieg zur Rosskuppenschlucht hat er nebst Hannes plötzlich vier weitere Wanderer im Gefolge („... ohne dich würden wir da nie hinaufgehen!“), die sich in Gegenwart des Meisters selbst übertreffen und 90 Minuten später oben in der Peternscharte überglücklich die Krönung ihrer Bergsteigerlaufbahn im Säckel haben.
Die beiden beherzten Steirerpärchen verabschieden sich in Richtung Planspitze, unserem Oboen-Hannes steht allerdings immer noch der Sinn nach Höherem. Der folgende Rosskuppengrat schlägt dafür in der Tat perfekte Brücken: Physisch von der Peternscharte über den Rand der schwindelerregenden Steilwände aufs Hochtor, mental vom geruhsamen Wanderleben in den Kletterhimmel. Hannes überschreitet beide mit einem erstaunlichen Maß an Würde, obwohl er bis jetzt sein Heil meist nur am Mountainbike gesucht hat.
Selbstredend hat sich Sebastians Anekdotensammlung auch heute wieder vergrößert, etwa um das Gschichtl vom Rucksack vom Hannes; aber das soll er euch besser selbst erzählen ...
(23.09.2010)
Literatur: zahlreiche Publikationen, darunter der penibelste Führer aller Zeiten:
Willi End: AV-Führer Gesäuseberge. München: Rother.