Höllkamp, 1952 m. SO-Wand „Muchas gracias, amigos“, 5+
Felsabenteuer über den Ringen.
Hochschwab, Weichselboden, Steiermark. Zustieg gut 700 Hm + 16 Seillängen (600 Hm).
P Weichselboden, Salzatal - Forststraße Vordere Höll - Ziehweg und Steig Unterer Ring - vom Talschluss zuerst links haltend auf Steig bis auf eine Höhe von ca. 1300 m (Linkskehre nahe der Wände) und rechts kurz hinauf zu gugelhupfartigem Vorbau, am Grasband darüber (von links) der Einstieg - SO-Wand - Höllkamp - Abstieg gegen Norden über die Rossleiten erst leicht rechts vom Gipfel, dann Schrofenrinne, welche (links von einem deutlichen Kögerl) zur Schlucht wird; bei einer Verengung „Rutschstelle“, am Abbruch rechts vorbeiklettern, links hinauf auskneifen würde in Abseilmanöver enden - Waldquerung auf Gamsfährten zur Edelbodenalm - Wanderweg und Forststraße nach Weichselboden. Weitere Abstiegsmöglichkeiten s. Karte.
Zwei mauerumgürtete Kessel im abgelegensten Teil des Hochschwab zählen zu den großartigsten und zugleich unbekanntesten landschaftlichen Juwelen der Ostalpen. In den letzten Jahren sind junge Wilde in den abweisenden Wänden auf den Geschmack gekommen, eine größere Zahl von eindrucksvollen Neutouren ist entstanden. Die meisten davon finden sich jenseits des 6. Grades, die Namensgebung lehnt sich oft an Tolkiens Fantasiewelt an. Mithilfe des neuen Kletterführers (s. unten) entdeckt man am Höllkamp schließlich zwei Routen im gemäßigten Schwierigkeitsbereich, noch dazu mit gebohrten Ständen und Abseilringen - welch Luxus, Herz, was willst du mehr.
Das neue Guidebook ist wunderschön, eine Monografie in Format und Gewicht dem großen Hochschwab-Bildband von Lindner ebenbürtig. Die von Hand gezeichneten Topos von Thomas Behm lassen sich kaum akkurater gestalten. Eine wahre Fundgrube.
Dennoch soll eine Warnung an den verwöhnten Genusskletterer erlaubt sein: Die Amigos (zurzeit erst zwei Jahre alt) können auf dem Papier leicht den Charakter einer Plaisirroute aus einem Känel-Führer evozieren, die Ausgewählten Kletterrouten und Klettergärten im Steirischen Gebirg' sind aber in der Hauptsache von robusten, hervorragenden Alpinkletterern für ebensolche geschrieben. Dabei fällt der relativ große Schrofenanteil der Tour weniger ins Gewicht - diese Landschaft macht alles wieder gut. Die Teufelchen stecken im Detail: Weite Hakenabstände werden für die meisten Begeher zusätzlich profunde mobile Absicherung erfordern und erleichtern nicht unbedingt die Orientierung. Manche Laschen sieht man erst zu spät. Drei Viertel der Seillängen messen 55 oder 60 m, was beim Nachziehen zusätzliche Schwierigkeiten bringen kann (besonders in der 15.SL). Wer meint, dass nach der Crux-Seillänge (10.) alles in Butter wäre, sollte die letzte (16.) abwarten, die zeigt für einen Fünfer noch einmal ordentlich die Krallen. Dort oben ist es meist auch fürs Abseilen zu spät - das sollte man sich besser bis zum 9. Stand überlegt haben. Und zuletzt wartet noch ein gscheiter Abstieg ins 1300 m tiefer gelegene Salzatal, der einem beim ersten Mal auch nicht selbstverständlich in den Schoß fallen muss.
Hat man aber am Ende des Tages eine der längsten Hochschwabtouren kennengelernt, so ist die Freude groß und der geniale Bierbrunnen gleich gegenüber vom Parkplatz hilft die Erinnerungen aus den Wänden hoch über den Ringen zu vertiefen.
Hätte diese unglaubliche Szenerie jemals unser junger Sebastian zu Gesicht bekommen, wäre er niemals so kurz-sichtig über die Steinzeit hergezogen. Kletterlegende Rudi Lindner, der Herr der Ringe, hat hier im Sommer wie im Winter zusammen mit seiner Helga die wirklich haarsträubenden Abenteuer gesucht, gefunden und bestanden - Politik war daraufhin keine Option mehr.
Literatur: Gumpold/Leitinger/Behm: Hochschwab Kletterführer. Ausgewählte Kletterrouten und Klettergärten im steirischen Gebirg'; deutsch und englisch. Markt Piesting: Verlag Kletterführer Hochschwab GesbR, 2020, www.hochschwab.org
Lindner: Hochschwab. Graz: Herbert Weishaupt Verlag 1989. Fantastischer Bildband für Hochschwabkenner und solche, die es werden wollen.