Pietra di Bismantova, 1041 m

Klettergärten und Mehrseillängenrouten.

Emilianischer Apennin, Castelnovo ne‘ Monti, Emilia-Romagna, Italien.

P Piazzale Dante (5 € pro Tag, 3,5 km südl. von Castelnovo ne‘ Monti; 48 km südl. von Reggio Emilia, 88 km nö. von La Spezia) - markierte, teils ausgeschilderte Zustiege zu 25 Klettergartensektoren und über 100 alpine Klettereien mit bis zu 7 Seillängen.

ÜbersichtKarte mit der Lage der beiden behandelten KlettergartensektorenKarte Mehrseillängenroute Pincelli-BriantiPietra di Bismantova vom Piazzale Dante (zentraler Parkplatz)Ulli klettert die SW-Kante (lo spigolo) am Sasso Diamante, aufgenommen vom Gipfel des Sasso Rubinodarüber die V-förmige Einbuchtung des Anfiteatro in der Südostwand der Pietra, gesehen vom Gipfel des Sasso Diamante, ...... wo sie die wunderschöne Verschneidung in der Variante Alta der Pincelli-Brianti klettert; tief unter ihr in Bildmitte die Sektoren Moby Dick und Sasso Diamante mit Sasso Rubino

Einführende Infos zu diesem kleinen, aber feinen Felsmassiv findest Du im Bildbericht über die beiden Klettersteige an der Pietra di Bismantova. Nachfolgend ein paar Streiflichter auf die zahlreichen Felsklettermöglichkeiten an diesem kühn aus der Landschaft stechenden Riff.
An den meisten Touren haben die einheimischen Kletterer mittels zahlreicher Sanierungsmaßnahmen für vorbildliche Absicherung gesorgt, sowohl an den kleineren Falesie am Fuß der Wände und den vielen gigantischen Felsblöcken, welche in deren Umkreis über die Bäume hinausragen, als auch in den großen, teils überhängenden und alpin anmutenden Wandfluchten. Auffallend ist die erstaunliche Anzahl an künstlichen Klettereien, welche an die heroische Epoche des italienischen Alpinismus erinnern – auch hier erwarten einen keine vor sich hin modernden Holzkeile oder schlank-erodierten Rostgurken. Unbedingt empfehlenswert ist der unten angeführte Führer - auch ohne große Italienischkenntnisse lässt sich daraus ein guter Überblick zum facettenreichen Angebot gewinnen. Detaillierte Topos und Bilder helfen in den einzelnen Sektoren und Touren, bei Unklarheiten geben die auskunftsfreudigen Locals gerne Hilfestellung.
Die Zustiege vom Piazzale Dante sind meist in wenigen Minuten abgehakt. Die Fortbewegung auf dem für Kletterer aus den Alpen ungewöhnlichen Sedimentgestein könnte man als pädagogisch wertvoll bezeichnen, zwingen doch die oftmals runden, eher abwärts gerichteten Griffe zu stärkerem Focus auf die Verfeinerung der Beinarbeit. Der Formenreichtum ist außergewöhnlich, es dominieren fotogene Verschneidungen und Risse, aber auch kompakte, plattige Wandstreifen und sogar Höhlenkletterei (wie im Camino del Diavolo an der Südseite) verschenken nachhaltige Eindrücke. Aus Zeitmangel können die folgenden Aufnahmen lediglich geringe Einblicke in die Vielfalt des Gebietes geben. Wir kommen aber sicher wieder.

Klettergärten
Das gute Dutzend Sektoren am Wandfuß bietet im Allgemeinen eher steilere, härtere Routen als die circa gleiche Anzahl von im Wald versteckten Riesenboulder mit großem Plaisiranteil, wie etwa Sasso Smeraldo (10 Schritte vom Parkplatz), Sasso Diamante oder Moby Dick.

vielleicht 10 Schritte vom Piazzale Dante entfernt steht schon der Sasso Smeraldo; Ronja klettert Mailee 5a, eine von 20 eingerichteten Kurzrouten zwischen 3a und 6c+ein kurzer Holzsteg führt über die Kluft zwischen einem Vorbau und dem Sasso Rubino, dahinter die Südwestkante des Sasso Diamante, ...... über welche Ulli soeben den Gipfel erreichtRonja in Ciop 5a; insgesamt 35 Routen zwischen 4a und 7c in allen Ausrichtungen an diesem romantischen FelsenBlick vom Diamant auf den Rubin, rechts hinten das Restaurant La Foresteria unweit des Piazzale Dante

Mehrseillängentouren
Als perfekte Einsteigertour hat sich die Pincelli-Brianti, 4+ durchs Anfiteatro der Südostwand (aus dem Jahr 1940) erwiesen. Die relativ einfache, klassische Linie erscheint auf den ersten Blick etwas gemüselastig, vor Ort lösen sich die Bedenken in Luft auf. Außerdem lässt sie sich je nach Bedarf durch eine große Auswahl an gut eingerichteten Varianten herrlich abschmecken – wir haben uns die Variante Alta, 5+ (Bernard-Menozzi, 1966) gegönnt und waren begeistert: ein Nasenüberhang, eine Fünfsterne-Verschneidung, ein ausgesetzter Balkon als Standplatz für den direkt darüber liegenden Klettergartensektor Cocoa (mit fünf 45° überhängenden Extremrouten zwischen 7c und 8b; die Routennamen verraten einiges: Panta rei, Epifanio, San Violentino, … - ausgesetzter geht’s nicht). Hinter einer tollen Ausstiegsschuppe findet man sich frei hängend an einem neuen, massiven Steinschlagschutz-Stahlnetz. Nicht einmal das tut der Freude Abbruch, man empfindet es vielmehr als zirkusmäßige Bereicherung des schönen Anstiegs.
Als kürzester Abstieg empfiehlt sich der Sentiero della Calanca (wegen der blauen Farbzeichen auch Sentiero Azzurro genannt; s. Karte), der ganz nah um den Torrione Sirotti und an der Südwand entlang zum Rifugio hinunterführt. Auf dem Steig passiert man die Einstiege zu tollen Mehrseillängenrouten und einem halben Dutzend weiterer Klettergartensektoren.
Finger wund? - Nur gut 30 km weiter, am Passo del Cerreto auf dem Hauptkamm des Apennin, kannst Du uns auf der Überschreitung des Monte Alto begleiten - eine schöne Grattour mit Klettersteigeinlage.

zur Abwechslung ein Wandfuß-Klettergarten: am Pilone Giallo findet man 29 Routen von 6a bis 8b; im Loch rechts hinten beginnt der Alpini-Klettersteig (s. eigener Artikel im Archiv Bergsteigen), wir wenden uns hier aber links hinauf ins Anfiteatroder Einstieg zur Pincelli-Brianti; das viele Grün zu Beginn stört keineswegsErich hat den 1. Stand erreichtin der 2. Seillänge eine Verschneidung mit darauf folgenden Platten, 4+, mehrere schöne Varianten zu beiden Seiten3. SL: der „Canale erboso“, 3-4an seinem Ende wendet sich der Originalweg auf breitem Band nach links, wir aber ...... klettern geradeaus weiter über die Variante Alta, die gleich mit einem alpinen Überhang (5+) aufwartet; die Absicherung mit Klebebohrhaken ist durchwegs gutimmer wieder zweigen Alternativen ab, wie hier rechts hinauf die Variante Alta Diretta, die den 6. Grad erreicht, die Variante Maniak durch die rechte Ausstiegswand 6c+; wir nehmen die Rissverschneidung links, ...... welche gleichfalls in den Siebten Kletterhimmel führtauch Ulli genießt die Verschneidung, die an unseren Damokles am Rotgschirr (Totes Gebirge; s. Archiv) erinnertdie folgende 15-Meter-Traverse ist gleichzeitig der Sicherungsplatz für den kleinen Sektor Cocoa mit seinen heftig überhängenden 7c- und 8b-Routenvor dem Sicherungsnetz noch eine vorzügliche 5+-Schuppedann wechselt man vom Traumfels aufs neue Stahlseilgitter, ...... über welches man - ein bisschen wie im Zirkus - ...... den Ausstieg unweit des Gipfels erreichtBlick vom Plateau der Pietra auf Castelnovo ne' Monti, einer netten Kleinstadt mit guter InfrastrukturAbstieg entweder am ganz einfachen Normalweg oder auf dem Sentiero della Calanca (auch Sentiero Azzurro, kürzer, maximal I) ...... durch einen kleinen Einschnitt an der Südwestecke des Plateausdieser Kurzabstieg führt ganz an den Wänden des Torrione Sirotti ...... um diesen eigenartigen Turm herumauch hier zahlreiche Routen mit maximal 3 SL auf Fels von besonderer Eigenartgleich dahinter reihen sich weitere Prunkstücke der Südseite: die zarte Linie des Diedro UISP (Unione Italiane Sport Populare; 6+), rechts daneben die große Verschneidung mit Willi Coyote 6c, Grande Glande 6c+ und dem Teufelskamin IV+, der ab dem zweiten Bewuchs im Innern des Berges verläuftnach einigen weiteren spektakulären Routen erwischen wir hier eine Kletterin in SCL Erotic 6c+ ...... und am rechten Rand dieses Bereichs zwei Kletterer am Einstieg zu Muro dei grilli 6b (6a/A0), einem weiteren Fünf-Sterne-Klassiker an der Pietraan dieser Stelle - gar nicht mehr weit vom Rifugio della Pietra (an schönen Wochenenden Plätze vorbestellen oder ins Städtchen ausweichen!) - mündet der Sentiero Azzurro in den Normalweg; beim Aufstieg nicht ...... am kleinen Taferl vorbeilaufen
(16.10.2022)

Literatur: Filippi/Bertolotti: Pietra di Bismantova. Vie e falesie; nur italienisch. Mailand: Versante Sud 2021.

Links zu weiteren Wanderungen und Klettertouren in Italien (südlich der Alpen) im nature-classic-Bericht zum Corno Grande.

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