Sonnenfelsen auf der größten Mittelmeerinsel.
Fast 1200 km Küstenlinie umschließen ein schier unermessliches Felspotential, genügend Seillängen für viele, viele Kletterurlaube. Sizilien hat sich zu einem Topspot gemausert, allein im Südosteck der Insel warten 3 Dutzend Klettergebiete, im Stadtgebiet von Palermo können sich Kletterer wochenlang beschäftigen.
Die seit einigen Jahren meistgenannte Adresse ist allerdings San Vito lo Capo nahe dem Westende der Insel. Diese besonders ansprechende Ecke - landschaftlich eher schon nordafrikanisch denn europäisch anmutend - lässt sich von Mitteleuropa aus leichter erreichen, als man denkt: schnell und günstig mit dem Flugzeug über Trapani oder Palermo, mit der Fähre ab Genua, Livorno oder Neapel, falls man das eigene Auto dabeihaben möchte. Die Infrastruktur ist längst auf Kletterer und Wanderer ausgerichtet. Eine ideale Basis bietet das Vier-Sterne-Camp El Bahira. Die ersten Sektoren befinden sich eine Minute hinter dem Platz, an der Küste rauf und runter kann man sich autofrei für Wochen die Finger lang ziehen. Zu Füßen der pittoresken Felshörner Monte Monaco, Monte Passo del Lupo und Monte Còfano wetteifern an die 30 Sektoren um die Spitzenplätze in puncto Felsqualität und Ästhetik der teilweise wirklich überwältigenden Linien. Ein Vergleich mit Kalymnos & Co. braucht nicht gescheut zu werden, die touristischen Alternativangebote der näheren Umgebung (Palermo, Erice, Trapani, Egadische Inseln, Segesta, Selinunt etc.) sind sogar reichhaltiger als auf der Dodekanesinsel.
Großen Anteil am Entstehen und dem weiteren Ausbau dieses großartigen Gebietes hat übrigens das oberösterreichische Lehrerehepaar Maria und Sepp Gstöttenmayr aus dem Unteren Ennstal, das sich vor Ort mittlerweile einen legendären Ruf erworben hat. Sepp hat in seiner Heimat und am Peloponnes Hunderte von Routen eröffnet. Seit einem Dezennium verbringen die beiden Kletterer alljährlich zwei Monate in San Vito, Sepp bohrt beinahe täglich mindestens eine neue Route ein, Maria kümmert sich um die Zustiege.
Im November 2016 haben wir unsere Italienumrundung für eine Woche hier unterbrochen, in den Folgejahren sind wir immer wieder gekommen. Der Spätherbst ist übrigens eine gute Zeit für Kletterer: das Meer noch angenehm, am Platz lang nicht so turbulent wie in den Sommermonaten und die Kosten etwa für ein behagliches Mobile Home (4-5 Personen) nur ein knappes Drittel (270 €/Woche, Stand 2018) vom Hochsaisonpreis, wunderschöne Sonnenuntergänge inklusive. Von Maria und Sepp erhielten wir persönliche Einführung in die benachbarten Sektoren und durften uns sogar etliche Zweitbegehungen ihrer brandneuen Touren holen. Auch sämtliche Bohrhaken in unseren eigenen Routen vom Toten Gebirge bis in den Zentraliran stammen übrigens aus Sepps Hand, die Festigkeit liegt weit über jener von industriell gefertigten Produkten, Angst vor Sigi-Bolts (lt. einem Forum-posting) ist also wirklich unbegründet.
Stellvertretend für die fünf Dutzend weiteren sizilianischen Klettergebiete folgen nach San Vito noch einige Aufnahmen von Rocca San Benedetto, Cava d'Ispica und Timpa Rossa/Rosolini nahe der Südküste. Für ambitionierte Wanderer haben wir ein Video über die Besteigung des alles beherrschenden Monte Còfano.
Literatur: Cappuccio/Gallo: Di Roccia di Sole. Klettern auf Sizilien. Deutsch. Milano: Versante Sud.
Speziell für San Vito lo Capo gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Führern. Ein empfehlenswerter Bildführer erscheint vor Ort und wird alljährlich aktualisiert und neu aufgelegt. Alle anderen Publikationen hinken aufgrund der regen Erschließertätigkeit zwangsläufig nach:
Senettin/Hofer: Sportclimbing in Sicily. San Vito lo Capo. Deutsch-Italienisch-Englisch. Brixen: Vertical life 2013.
San Vito lo Capo. Climbing map. Kletterkarte mit 850 Routen, vor Ort erhältlich, für 10 € die günstigste Option.
Links zu weiteren Wanderungen und Klettertouren in Italien (südlich der Alpen) im nature-classic-Bericht zum Corno Grande.