Kl. und Gr. Festlbeilstein, 1847 m. W-Kanten-Überschreitung, 5
Eine der schönsten Berggestalten des Hochschwab.
Hochschwab, St. Ilgen, Steiermark. Zustieg 850 Hm + 6 Seillängen (110 Hm).
Alpengasthof Bodenbauer, 884m, 25 km nordwestl. von Kapfenberg – Richtung Hochschwab bis vor den Bachübergang - Forststraßensystem (re-li-re-li) bis ans Ende am O-Sporn des Reidelstein – Jagdsteig bis zum oberen Rand der Lichtung – die verwachsene Wiese unterhalb der Gipfelfelsen nach rechts (Steinmänner auf Baumstümpfen, nicht links den deutlicheren Steigspuren in den Wald folgen!) und eine kurze, steile Rinne in eine Art Sattel, ab hier ist der Steig wieder gut sichtbar – knapp hinter dem Reidelstein, 1467 m, auf die Kammhöhe – Reidelsteinriedel, 1571 m – E unter der Rampe, die links zur W-Kante des Kl. Festlbeilsteins emporzieht – 3 SL auf den Gipfel, 1815 m – leichter Übergang zur Scharte am Fuß der Westkante des Gr. Festlbeilsteins – 1 SL links der steilen Kante, 1 SL geneigte Plattenkante, 1 SL Zackengrat zum Gipfel, 1847 m – Abstieg am Normalweg über den Ostgrat oder über die Abseilpiste (vom Bergrettungsstand gleich unterhalb des Gipfelkreuzes in 7 Abseillängen bis zu 25 m) an den Südwandfuß und auf Steig zurück zum Einstieg.
Wir stehen auf einem sanft geschwungenen, begrünten Dachfirst voller Bergblumen, zur Rechten blaue Kämme, zur Linken kühne Berggestalten und Wände, vor uns das Idealbild eines südamerikanischen Cerros. Kann es am Hochschwab schöner sein als in Patagonien? –
Am Reidelsteinriedel stellt sich diese Frage tatsächlich. Obwohl vom Bodenbauer bis zum Beginn des Jagdsteiges 4,5 km Forststraßen abgespult werden müssen (Abkürzer im Wald lohnen sich nicht wirklich, zu steil, zu verwachsen). Obwohl der Fels speziell am Kl. Festlbeilstein, dem ersten Teil unserer in Anbetracht des Zustieges relativ kurzen Kletterei, vielleicht nicht ganz mit den Hochschwab-Südwänden gleich gegenüber konkurrieren kann. Obwohl man die alten Rostgurken (zwischen den mittlerweile gebohrten Ständen) nicht hemmungslos belasten sollte …
Ist man bereits am Zustieg überwältigt von dieser Landschaft, so gesellt sich beim Abstieg noch tiefe Befriedigung über die spannende alpine Kletterei an diesen beiden Türmen mit ihrer reichen Geschichte und den vielen prominenten Besuchern, speziell aus der Steirer und Wiener Kletterwelt.
In den Augen der Erstersteiger des Berges (Ostgrat, 1891) erscheint dessen Westseite „absolut ungangbar“. 31 Jahre später ist es dann soweit: Der Seilschaft Gerbing – Oszkaitis gelingt die Erstbegehung der Westkante auf den Kleinen Festlbeilstein, vom Seilzweiten existiert ein Bericht darüber:
… schlichen wir auf geheimen Zugängen hinauf in die Almregion … die leichte Gangbarkeit verliert sich nach wenigen Metern … rechts in der plattigen Südwand ist so wenig zu machen wie in der ins Leere abbrechenden Nordwand … auf einem kleinen Tritt der Kante ruht man auf einem Fuß, wie ein Vogel, von der Anstrengung. An drei Seiten nur Luft … von mir notdürftig gesichert, versucht mein Gefährte einen Haken in eine Fuge zu treiben, aber vergeblich, der eisenfeste Fels lässt sich nirgends erweichen, und ganz krummgeschlagen wandert der Haken in den Rucksack zurück …
In Strümpfen gelingt es Rudolf Gerbing schließlich, die glatte Verschneidung der 3. Seillänge zu überlisten (man kann getrost von einer 5er-Stelle sprechen), im Hochschwab ist ein neuer Schwierigkeitsgrad eröffnet.
Genau 10 Jahre später wird auch die Fortsetzung der Überschreitung, die Westkante auf den Gr. Festlbeilstein erstmals geklettert – eine sogar nach heutigen Gesichtspunkten durchaus elegante Sache. Von ganz oben grinst nur halb eingeschlagenes, suizidomanes Alteisen aus einem unverschämt geschlossenen Riss herunter. Erst kurz vorher sieht man rechts zur glatten Kante hin eine glänzende Bohrhakenlasche (bislang der einzige moderne Zwischenhaken der Tour), der Ausstieg nach dieser Seite ist genial und viel leichter als es aussieht. Unglaublich der Standplatz mit seinem Ausblick nach Norden; geneigt, aber wunderschön glatt und ausgesetzt die folgende leichte Länge, die uns an die Roggalkante im Lechquellengebirge erinnert; und das letzte, beinahe horizontale Stück zum Gipfelkreuz – Kletterei wie auf einem Hahnenkamm im Granit der Zentralalpen.
Über die neue Abseilpiste (2005) schweben wir wieder in die klettertechnische Gegenwart, spulen uns im Rückwärtsgang durch Schinkos neue Welt, 8 (7+ A0) und Up and down, 7+ (7 A0) aus der Jahrtausendwende. Nur wenige Meter daneben schob sich bereits 1934 das Grazer Klettergenie Schinko mit Bischofberger und Neureiter durch dieses steilste Gewänd …
Literatur: Gumpold/Leitinger/Behm: Hochschwab Kletterführer. Ausgewählte Kletterrouten und Klettergärten im steirischen Gebirg'; deutsch und englisch. Markt Piesting: Verlag Kletterführer Hochschwab GesbR, 2020, www.hochschwab.org
Schall: Genuss-Kletteratlas Österreich Ost, Band 2. Wien: Schall.
Auferbauer: Alpenvereinsführer Hochschwab, 3. Auflage. München: Rother 1990.