Dachstein - Überschreitung
Vom Steirischen Salzkammergut bis Filzmoos.
Dachsteingebirge, Bad Mitterndorf, Filzmoos, Steiermark, Oberösterreich, Salzburg. Aufstiege insgesamt ca. 4000 Hm.
Ist man öffentlich oder nur mit einem Auto unterwegs, empfiehlt sich die Anreise ab Radstadt frühmorgens mit dem Zug über Stainach-Irdning nach Bad Mitterndorf-Heilbrunn. Von Filzmoos Busverbindung über Eben im Pongau zurück nach Radstadt.
Falls man die Tour aufteilen möchte: Für die ersten beiden Tage ab Schladming (Zug nach Bad Mitterndorf, Bus ab Türlwandhütte oder Ramsau), für den dritten ab P Mautstelle Filzmoos (Taxi auf die Türlwandhütte, Abfahrt/Abstieg direkt zum P, mehrere verkürzende Varianten möglich, etwa schon vom Sulzenhals über die Sulzenalm oder vom Eiskarl über die Hofalm).
1. Tag: ÖBB-Haltestelle Bad Mitterndorf-Heilbrunn – Neuhofen – Almgraben – Steinitzenalm – Goseritzalm – N-Mulde/ob. O-Flanke Hochmühleck – Ü Zellerkogel – Neubergalm – O-Flanke Hochstube – Ü Hirzberg – W-Hänge – Biwak zwischen Bärfalleben und Lausboden.
2. Tag: Besenkogel – Koppenkar – O-Flanke Edelgrießhöhe (Nordsattel) – Abf. Edelgrieß – Türlwandhütte.
3. Tag: Steinfeld - Dachsteinsüdwandhütte – Abfahrt Auretskar – Marboden – Torboden – Tor (höchster Punkt der Tagesetappe) – Abfahrt Rauchkar - Windlegerkar – Scharlfeldl – O-Flanke/oberer Südkamm Sulzenschneid – Abfahrt N-Flanke Eiskarl - Rinderfeld – Linzer Weg – Kesselboden - Hofpürglhütte – Übergang Gerzkopf oder Abfahrt Aualm - Filzmoos.
Sowohl die Dachstein-Südwand-Hütte als auch die Hofpürglhütte sind im Winter geschlossen (geöffnet ab Mai/Juni), die Hofpürglhütte verfügt über einen Winterraum lediglich als Notunterkunft.
Nach der Überquerung des südöstlichen Teils des Toten Gebirges stehen wir nun in Bad Mitterndorf im Steirischen Salzkammergut vor einem weiteren gigantischen Karstareal. Für eine möglichst direkte Transversale überschreiten wir zunächst die ausgedehnte Hochfläche Auf dem Stein, wo sich in weiterer Folge zwei Linien zur Hofpürglhütte anbieten: die Nordroute über den höchsten Punkt, den Hohen Dachstein bzw. die Steinerscharte, die Adamekhütte und das Windlegerkar (wird später ergänzt); oder die Abfahrt durchs berühmte Edelgrieß zur Türlwandhütte mit Querung entlang der kilometerlangen Fluchten der beeindruckenden Dachsteinsüdwände. Zwei Wege, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die man aufgrund ihrer Großartigkeit eigentlich beide gemacht haben muss. Dabei sollten sich auch Tourengeher mit überdurchschnittlicher Kondition mindestens drei Tage gönnen. Mit weniger Zeitaufwand wird man im besten Fall sportlichen Ehrgeiz befriedigen, aber nicht annähernd den landschaftlichen Höhepunkten gerecht werden. Zudem macht es rein genusstechnisch gesehen keinen Sinn, in den Morgenstunden das traumhafte Edelgrieß abzufahren, bevor es aufgefirnt hat. Unser Zeitplan – Abmarsch fahrplanbedingt erst nach halb acht und Biwak nicht zu nah am Koppenkar – hat sich als durchaus praktikabel erwiesen.
Erich hat vor 20 Jahren schon einmal den Stein überquert – vom Krippenstein über Heilbronner Kreuz und Hirzberg nach Bad Mitterndorf. Die vorliegende Diagonale über Hirzberg und Edelgrießhöhe ist - übrigens auch im Vergleich zum Toten Gebirge und Hochschwab - morphologisch noch kleinräumiger gegliedert. Während man auf den Weiten der Nachbarplateaus durchaus zügig vorankommen kann, zwingen hier eine Unzahl von sich verschneidenden Tälchen und Kesseln zu ständigen Umwegen und Gegensteigungen, was dem gesamten Unterfangen zwischen Hochmühleck und Koppenkar einen fast expeditionsmäßigen Anstrich verleiht. Im lang gezogenen Koppenkar stellt sich dann wieder herkömmliches Schitourenfeeling ein. Mit der absoluten Einsamkeit ist es vorbei, die Dachsteinsüdwandbahn macht sich bemerkbar, wir queren die Pistenraupenspur in Richtung Guttenberghaus und treffen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Begeher der landschaftlich einmaligen Koppenkarstein-Umrundung. Im Edelgrieß ist dann mit pistenartigen Verhältnissen zu rechnen.
Den freien Nachmittag verbringt man damit, auf der Terrasse des Berghotel Türlwand (ehemals Türlwandhütte) seine Nase in den famosen Schaum eines oder mehrerer Schladminger Biozwickel zu stecken. Oder man pilgert über die Austriahütte kurz zum Brandriedel hinüber (s. unter Dachstein im Archiv Bergsteigen) – einen instruktiveren Blick auf die breit aufgefächerten Südwände wird man nirgendwo finden.
Am dritten Tag unserer großen Dachstein-Transversale glauben wir zu wissen, worauf wir uns einlassen. Und doch hält der lange Übergang zur Hofpürglhütte so manche Überraschung bereit: Einerseits übertrifft die andauernde, unmittelbare Nähe der gewaltigen Dachstein-Südwände und der Zacken des Gosaustein bis hinüber zur Bischofsmütze noch alle hochgeschraubten Erwartungen. Die eingestreuten Zwischenabfahrten – etwa vom Tor ins Rauchkar und von der Sulzenschneid ins Eiskar sind wirklich hübsch und gestalten die zwölf Kilometer Luftlinie höchst abwechslungsreich. Auch in technischer Hinsicht kann – je nach den herrschenden Verhältnissen – die „leichte und schöne Schiwanderung“ (Rabeder-Brüder in ihrem längst vergriffenen Schiführer Dachsteingebirge, 1979) mit unerwarteten Aufgabenstellungen punkten. Schon zu Beginn können pickelhart gefrorene Hangquerungen zur Südwandhütte und die kurze, steile Abfahrt ins Auretskar erhöhte Aufmerksamkeit einfordern, bis uns drüben am Marboden endlich die Sonne erreicht. Auch die Einfahrt von der Sulzenschneid ins Eiskar ist ziemlich steil. Drüben am Linzer Weg, das Ziel schon vor Augen, wartet dann noch ein kurzer Steilaufstieg mit der manchmal lustig überwechteten „Roten Rinne“ auf Überlistung. Hier sollte man sich nicht verleiten lassen, zur Vermeidung der anstehenden 150 Hm die direkte Linie unterhalb der Kesselwand zu wählen.
Die waldreiche Fortsetzung über den Gerzkopfkamm, den südwestlichsten Ausläufer des Dachsteinmassivs, wird in einem eigenen Artikel behandelt.