Böses Weibl, 3121 m

Ronjas erste 3000er-Überschreitung vom Ködnitz- ins Lesachtal.

Schobergruppe, Kals am Großglockner, Osttirol. Aufstieg 1300, Abfahrt 1900 Hm.

P Neues Lucknerhaus am Ende der Mautstraße von Kals (im Winter wird keine Gebühr eingehoben) – Forststraße Nigglalm – steile Hangquerung an der Matoitzalm – klammartiges Grabensystem südl. am Peischlachtörl vorbei – Kesselkeeskar – Tschadinsattel – W-Flanke aufs Böse Weibl. -
Abfahrt vom Sattel nach S gegen Glödis  ins Lesachtal – Lesachalmhütte – 2 Varianten nach Unterlesach. Rückweg über Kals zum Auto ca. 10 km.

ÜbersichtKarteder Aufstieg zum Bösen Weibl vom Gipfel aus gesehenBlick vom Parkplatz kurz vor dem Lucknerhaus nach N

Zu jedem Jahreswechsel  machen wir uns gern Gedanken über die Zeit an sich, Rückblicke auf die letzten 12 Monate, Vorsätze für die Zukunft; was gut gelaufen ist, was wir verbessern können. Während die alten Maya an ihren Zeitenwenden ausschweifende Feste gefeiert oder zumindest ihr Küchengeschirr zerschlagen haben, wollen wir das Neue Jahr auf unsere Art einläuten. Wetter und Lawinenlage sind uns wohl gesonnen, und so rutschen wir mit unserem kleinen Weibl über seinen ersten 3000er - das berühmte Böse Weibl in der Schobergruppe. Bei den herrschenden Bedingungen erweist es sich als gar nicht so böse, das Weibl, dafür sind wir einem Mandl in die Quere gekommen, welches sich in seiner Redelawine im alten Jahr noch nicht so ganz von den Gebaren seines früheren Lebens als Inquisitor freischaufeln konnte ...
Unser Berg vereint alle Attribute einer Luxustour, hoch gelegener Ausgangspunkt, moderate Aufstiegshöhenmeter mit überraschend vielfältigen Szenerien und nur einer etwas heikleren Passage, herrlich inspirierende Nahblicke in die einsam-wilde Schobergruppe und zum höchsten Berg Österreichs. Das Maß so richtig vollmacht aber erst die herrliche Abfahrt nach Süden ins Lesachtal. Zu Beginn meint man direkt ins Herz dieser unglaublichen Bergwelt zu schwingen, bis wir dann durch ein schattiges Tal doch noch den Anschluss an die Zivilisation wiederfinden und nach beinahe zehn Abfahrts- und zwei Höhenkilometer auf eine wirklich besondere Überschreitung zurückblicken dürfen. -
Wie in aller Welt kann es dann in solch einem Ambiente unter extrem naturverbundenen Gleichgesinnten zum bereits angedeuteten unliebsamen Intermezzo kommen?

Schon eine halbe Stunde nach Aufbruch schläft Ronja tief und fest in ihren drei Daunenschichten, heute wieder einmal in Papas Rückentrage, weil auf dieser Überschreitung ihr Tourenschlitten nicht sonderlich geeignet ist. Unsere drei Freunde bleiben etwas zurück, wir wollen schnell hinauf, damit wir in die Sonne kommen und Ronja nach dem Aufwachen nicht zu lange auf ihr geliebtes Abfahrtsvergnügen warten muss. Auf Höhe Peischlachtörl macht sie die Augen auf und verlangt nach ihrer Jausendose. Gewürfeltes Wurstbrot mit Camembert und Gurke kommt zurzeit sehr gut an und ist ausreichend vorhanden, leider haben wir aber nur zwei Müsliriegel dabei. Offenbar zu wenig, deshalb gibt's lautes Geschrei. Eindeutige Willensbezeugungen gehören bekanntermaßen bei zweijährigen Sprösslingen durchaus zum guten Ton, oft auch mit mehr als drei- bis vierminütiger Dauer - auf allen fünf Kontinenten und nicht nur am Berg. Dank der guten Akustik auf dem windstillen Plateau vor dem Tschadinsattel ist Ronjas enttäuschtes Gezeter auf dem stark belebten Gipfel deutlich vernehmbar, was oben naturgemäß zu emotionalen Diskussionen führen muss. Auf dem Sattel angelangt schläft Ronja bereits wieder, trotzdem gibt uns ein südösterreichischer Tourengeher lautstark Saures. Rein statistisch muss das nach 150 Touren endlich einmal passieren, solch eine Darbietung ist doch eher ungewohnt und man kann ja nicht ad hoc davon ausgehen, dass die  „blöden Eltern“  wissen, was sie tun. (Im Gegenzug könnten wir auf die überschwänglich positive Reaktion einer Gruppe italienischer Tourengeher einen Tag zuvor  am Hinterbergkofel (Staller Sattel, Villgratner Berge) verweisen, wo Ulli unter begeisterten „Bravo Mama!“-Rufen nur knapp einem Stage-diving entkommen ist.

schon nach wenigen Minuten zeigt sich der Doppelgipfel des Bösen Weibl (rechts der Bildmitte)die steile Hangquerung im Raum Matoitzalm ist die Schlüsselpassage der gesamten Tourunterhalb des Peischlachtörls beginnt ein System ...... von anmutigen, klammähnlichen Tälchen, ...... welche uns ohne technische Schwierigkeiten und in moderater Steigung ...... hinauf in die weitläufige Kessellandschaft am Fuß des Gipfelaufschwungs bringenaus dem Schatten ins Licht; Blick gegen NO auf Gridenkarköpfe und Zinggetz (links); es kommt aber noch besserdas Panorama vom Tschadinsattel nach SSO mit der bevorstehenden Abfahrt verschlägt uns buchstäblich den Atemdas wilde Mandl ist abgefahren, Ronja aufgewacht, der Rest der Gruppe eingetroffen; Papa hat für Ronja noch schnell eine Schneeburg gebaut ...... und läuft dann mit Roman noch die letzten Meter hinauf ...... zum Gipfel des Bösen Weibl; den Berg dahinter kennt fast jederdie Gipfelschau im Uhrzeigersinn, beginnend im NWim N die Glocknergruppeim OSO ein Teil der intimsten Geheimnisse der Schobergruppenach der anderen Seite ein unendliches Gipfelmeer bis hin zu den Dolomitenzurück am Tschadinsattel scharrt Ronja schon ungeduldig mit den Hufen und richtet dem Papa noch schnell die Bindungwieder gut eingepackt ...... und los geht's - Einfahrt in die weitläufigen Südkare. - „Das wird Folgen haben!“„So hoch mit einem Kind!“ ...... „ Das ist verboten!“ - ...... „Ihr wisst ja gar nicht, was ihr dem Kind antut!“am Fuße des Kristallkopf ...... queren wir westl. hinüber, um den Abbruch unterhalb zu vermeiden (die östliche Umfahrung ist leichter)über einen etwas steileren Hang ...... schwingen wir in den schattigen Talschluss hinabinzwischen hat sich ein Steirer mit seinem 12-jährigen Sohn zu uns gesellt, die seit sechs Jahren gemeinsam Schitouren unternehmenRonja und Mama im Lesachtal. darüber der Glödis (s. Archiv Bergsteigen)die letzten Schwünge nach Lesach hinunter, im Hintergrund Ganot und Glödis (links)

Wem der Wermutstropfen in unserer Geschichte keine Ruhe lässt, der kann sich im Anhang zum Kuhberg-Bericht ein detailliertes Bild über Ronjas Tourenvergangenheit machen oder auf unserer Baby scales mountains - Videoreihe bei 19 derartigen Unternehmungen im Sommer wie im Winter live dabei sein.
Das gesamte Material darf vor Gericht natürlich gerne gegen uns verwendet werden.
(31.12.2012)

Literatur: Mariacher: Schitouren in Osttirol, Band 1. Tristach: Bookz 2011.
Stadler/Philipp: Schitourenführer Hohe Tauern. Köngen: Panico 2017
Baumgartner: Schitouren von den Hohen Tauern bis zu den Julischen Alpen, sowie
Zink/Assam: Schitouren in den Südalpen II, 80 Traumrouten zwischen Laserzwand und Hochalmspitze. Beides Bildbände mit Tourenheft. Klagenfurt: Carinthia.
Schall/Weiss: Genuss-Schitourenatlas Südtirol & Österreich Süd. Wien: Schall.

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