Qarqortoq, Südwestgrönland. Aufstieg 400 Hm.
Grœnland – diesen altwestnordischen Namen hat Erik der Rote gegen Ende des 10. Jahrhunderts der gewaltigen Landmasse im Nordatlantik/Arktischen Ozean gegeben. In Zeiten des Klimawandels gewinnt diese Bezeichnung mehr und mehr an Sinnhaftigkeit. Zu Land und zu Wasser zieht sich das Eis rasant zurück, landwirtschaftliche Flächen wachsen regelrecht in den Norden. Die Erderwärmung zieht auch unvermutete soziale Umwälzungen nach sich. Nach all den von der „zivilisierten Welt“ - angefangen von den christlichen Missionaren bis hin zur EU - eingeführten Beschränkungen und Verboten, welche die halbnomadischen Inuit oft genug in Verzweiflung, Alkoholismus, Gewalt in der Familie etc. trieben, ist Grönland mit seinen heute gut 50.000 Einwohnern zwar noch immer Bestandteil des Königreichs Dänemark, hat aber 2009 die Selbstverwaltung eingeführt. Das bedeutet u. a. das Recht auf die eigenen Rohstoffe, welche – meist noch unter dem Eis – in ungeahnten Mengen vorhanden sind. Das wiederum hat geopolitische Interessen wachgekitzelt, weswegen eigens ausgebildete Militärpatrouillen aus Sorge vor den Russen speziell im Nordosten Präsenz zeigen – oder aber auch Donald Trump 2019 der dänischen Regierung ein Kaufangebot für Grönland unterbreitete (was ausnahmsweise einmal für geopolitische Erheiterung sorgte).
Diese und andere Faktoren haben zum auffallenden Bauboom und vor allem zu einem dynamischen Anlauf in der Identitätsfindung der Grönländer geführt, deren weitere Entwicklung mit Spannung erwartet werden kann.
Doch nun zur leider einzigen Wanderung, die wir einer zweiwöchigen Schlechtwetterphase abringen konnten:
Qaqortoq – O-Kamm über den Vorgipfel auf den Alanngorsuaq (Hasenberg)– Abstieg W-Rücken/S-Flanke –Munkebucht – Sattel – Tasersuaq (Großer See) – Piste zurück in die Stadt.
Rund um das Städtchen Qaqortoq mit seinen gut 3000 Einwohnern gibt es ein bescheidenes Wanderwegenetz, welches außer unserem Alanngorsuaq noch den etwas höheren Saqqaarsik und eine Eulenspiegelhöhle westlich jenseits des Tasersuaq-Sees umfasst. Man bewegt sich gefühlsmäßig über die Niederen Tauern, welche gerade im Polarmeer versinken.
Nuuk, die kleinste Hauptstadt der Welt, liegt knapp 500 km weiter die Westküste hinauf an der Davis-Straße, gegenüber von Baffin Island. Mit unter 20.000 Einwohnern ist sie quasi der Ballungsraum der riesigen Insel mit der 25-fachen Fläche Österreichs. Hier findet man die einzigen zwei Ampeln und die einzige Rolltreppe des Landes. Drei Buslinien sorgen für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs.
Ansonsten gibt es noch weitere 16 „Städte“ und 55 Dörfer mit teils unter 20 Einwohnern. Amtssprache ist Kalaallisut (grönländisch), dänisch ist Verkehrssprache und erste Fremdsprache in der Schule.
Literatur: Sabine Barth: Grönland. Ostfildern: DuMont Reiseverlag 2021.