Cerro Botella Azul, 2867 m + VIDEOCLIP

Auf dem unberührten Rückgrat der Baja.

Sierra de San Pedro Martir, Picacho del Diablo, San Telmo, Baja California Norte, Mexiko. Aufstieg ca. 1000 Hm.

Zufahrt: San Telmo de Abajo, MEX 1 ca. 240 km südl. Tijuana – noch knappe 100 km auf Bergstraße östl. hinauf bis ins Herz des Nationalparks.

Karte NordamerikaÜbersicht Baja California

P Vallecitos – osö.  tw. auf Steigspuren durch unübersichtlichen Bergwald (flache Bachbette und Sättel, sporadische Steindauben, Luchse) zum Scout Peak, ca. 2800 m; Aufstieg am besten durch die SO-Flanke, im Gipfelbereich Urgesteinskletterei, 2 – 3.
Vom Südfuß des Scout Peak weiter nach SO in einen Sattel, in gleicher Richtung am Kamm weiter auf eine unbenannte Erhebung, die nächste sw. umgehen (Legföhren) in den Sattel vor der Botella Azul (Feuerstelle mit Wasserkessel). - Kurzer Abstieg gegen O (Richtung Blue Bottle Wash und Campo Noche) - Querung unter die tiefste Einsattlung im Pinnacle Ridge, die flache Rinne hinauf in die Scharte (hier setzt die erste Gratbastion mit einer gelben Granitwand an) - ONO-Grat auf die Botella Azul. – Abstieg W-Flanke bis unterhalb des Sattels mit der Feuerstelle, guter Biwakplatz. – Rückweg parallel unterhalb der gestrigen Linie bis in den Sattel sö. des Scout Peak (besser begehbar, weniger Latschen), dann am Zustiegsweg zum P Vallecito.

Karte Cerro Botella AzulGipfelblick von der Botella Azul gegen Osten; unerforschte Schluchten und Grate, dahinter die Wüste von Santa Clara, die Sierra San Felipe und der Golf von Kalifornienauf der hundert Kilometer langen Zufahrt von der MEX 1 hinauf zum Nationalpark, von Meereshöhe bis auf ca. 2500 m, durchquert man mehrere Vegetationszonen

Die Ausweitung des Drogenkrieges lässt Individualreisen nach Mexiko zurzeit kaum ratsam erscheinen. Sobald sich die Lage beruhigt hat, sollte man sich aber dieses perfekte Reiseland keinesfalls entgehen lassen. Neben den überaus beeindruckenden, bestens restaurierten Kulturdenkmälern der Maya und Azteken bieten besonders die Regionen abseits der Touristenströme ein unerschöpfliches Potenzial für Erlebnisse und Abenteuer aller Art.

In seinem nördlichen Teil – etwa 200 km südl. der US-amerikanischen Grenze - trägt der bizarre Riesenfinger Niederkaliforniens seinen gewaltigsten Gebirgszug, die Sierra San Pedro de Martir. Ihr höchster Gipfel ist der Picacho del Diablo, sein als „Pinnacle Ridge“ bekannter SW-Grat wird sehr selten in Angriff genommen, auch wir sind daran gescheitert. Trotz mangelnder Ausrüstung und eines drohenden Wetterumschwungs ist dafür die Ersteigung zweier seiner Haupttrabanten gelungen.
Laut Statistik sieht dieser Nationalpark weniger als einen Besucher pro Tag. Die einzige, 100 km lange Zufahrtsstraße - im letzten Teil nur mehr eine steinige Bergpiste - führt durch ständig wechselnde Vegetationszonen hinauf in bewaldete Hochregionen, welche man nie und nimmer auf der sonst extrem ariden Halbinsel vermuten würde.

vom westl. Rand des Parks gesehen erheben sich die höchsten Gipfel der Baja über weitläufige, bewaldete Granitplateausvorbei an romantischen Wildwest-Almwiesen ...... geht es über unbefestigte Pisten zum Parkplatz Vallecitos

Nur wenige steile Pfade, denen einst Indianer und Goldsucher folgten, führen über diese fast unüberwindliche Barriere. Auch heute noch gleicht eine Bergtour in die Sierra einer Expedition. Es existieren keine brauchbaren Karten, weder markierte Wege noch ein Rettungswesen.
Während in tieferen Lagen unerträgliche Hitze brütet, können hier oben die Gipfel bereits Ende Oktober in eine dicke Schneedecke gehüllt sein. In den Hunderte Quadratkilometer messenden Wäldern von Douglasfichten, Espen und Zedern hausen Füchse, Koyoten, Waschbären und sogar Pumas.

zwei Wochen vor unserer Tour waren wir schon einmal im Park und haben bei der Gelegenheit El Altar bestiegen, einen Gipfel im Bereich des ca. 2700 m hoch gelegenen Observatoriums. Das Filmmaterial davon und das Ergebnis weiterer fünf Tage Dreharbeit wurde eine Woche später im Süden des Landes Beute von Autoknackerngefrorene Wasserlachen und brütende Hitze am selben Tag - extreme Temperaturunterschiede sind ein Merkmal des hoch gelegenen Nationalparksstellenwise kann man sich gehörig im Latschendickicht verheddern, wie wir es von unseren Kalkalpen gewohnt sindim dichten Gehölz wird zwischen Baumfarnen der steile Gipfelaufbau des Scout Peak sichtbar

Die Erkletterung des Picacho del Diablo ist in mehrfacher Hinsicht Höhepunkt einer Baja-Reise. Die 3096 m hohe Teufelsspitze ist nicht nur höchste Erhebung des niederkalifornischen Rückgrats, sondern auch einer seiner entlegensten und anspruchsvollsten Gipfel. Es existieren zwei Normalwege, die sich beim Campo Noche am Fuß der westl. Gipfelflanke vereinen: die Route durch den Canyon del Diablo von Santa Clara aus (erreichbar über San Felipe an der Ostküste) und unser Zustieg von Vallecito , einem almartigen Becken im NW. Darüber hinaus ließen sich noch eine Reihe hochinteressanter neuer Linien auf diesen Felsriesen finden, abenteuerliche Mehrtages-Unternehmungen durch abgelegene Schluchten und über lang gezogene Granitgrate, deren Verwirklichung uns bis heute im Kopf herumspukt.
1967 irrten zwei US-amerikanische Bergsteiger auf eben diesem Anmarsch zum Gipfelmassiv einen vollen Monat auf den endlosen, teilweise dicht bewaldeten Granitplateaus umher und wären um ein Haar verhungert, ohne den Berg auch nur zu sehen. Oft ist ein Weiterkommen abseits der wenigen Steigspuren und Wildfährten kaum möglich. Die Geschichte der beiden Gipfelaspiranten ist eine von vielen, welche die Unwegsamkeit und die nicht zu unterschätzenden Orientierungsschwierigkeiten in dem unübersichtlichen Gelände dokumentieren. In der Tat kann man sich auf dem gesamten Zustieg keinen Überblick über seinen momentanen Standpunkt verschaffen, außer man nimmt zusätzlich die zeitraubende Ersteigung eines der umliegenden Granitgipfel – in unserem Fall des Scout Peak - auf sich.

Wildfährten und leichte Kletterei in bestem Granit führen uns auf den Scout Peak, einem wunderbaren Orientierungspunkt inmitten der Weiten der Sierra San Pedro MartirBlick vom Gipfel auf den Picacho del Diablo und seinen langen SW-Grat, den Pinnacle Ridgeeiner der wenigen Wegweiser am Zustieg: die Feuerstelle am Sattel vor der Botella AzulBlick vom Sattel gegen Osten. Die Teufelsschlucht mit dem Campo Noche, einem bevorzugten Biwakplatz, trennt uns von der Westflanke des Picacho del Diablo, durch welche der Normalweg führt. Die von den Bäumen rechts verdeckte Felsbastion gehört zum Pinnacle Ridgeam Westfuß der Gratbastion, unterhalb der tiefsten Scharte zwischen Picacho und Botellagriffiger Granit über dem Wandfuß ...... leitet uns auf die Grathöhedie traumhaften Kanten werden glatt und steilweit oben definieren mangelnde Ausrüstung und das schwere Gepäck unsere Grenzenzu aufwendigem Suchen nach Schlupflöchern in den glattwandigen Verschneidungen fehlt uns die Zeit

Unter großem physischem Aufwand haben wir uns gut die Hälfte der ersten Bastion zur Grathöhe des Pinnacle Ridge emporgekämpft, mit umfangreichem Gepäck (Filmausrüstung!), bis zum 5. Schwierigkeitsgrad seilfrei (auch unser Seil ist einem Autoeinbruch im Süden der Halbinsel zum Opfer gefallen). Überdies kündigt sich ein Wetterumschwung an, der keine zeitaufwendige Suche nach den einfachsten Schlupflöchern an diesem Riesengrat zulassen würde. Erich hat überdies in drei Tagen in Tijuana ein Konzert zu spielen.
So adaptieren wir unsere Pläne und ersteigen aus der tiefsten Scharte des Verbindungsgrates bei vergleichsweise geringen Schwierigkeiten den Cerro Botella Azul – gut 200 m niedriger als der Hauptgipfel und drei Kilometer Luftlinie von ihm entfernt. Die Aussicht unterscheidet sich kaum, die untergehende Sonne zaubert unbeschreibliche Farbenpracht auf diesen entlegenen Gebirgsplaneten. Im letzten Licht finden wir am Fuß der Westflanke einen gemütlichen Biwakplatz, an dem wir einmal mehr auf ungewöhnliche Art Silvester feiern.

kurz vor Sonnenuntergang am Gipfel der Botella Azul; dahinter der lange Pinnacle Ridge zum Picacho del Diablowieder unten auf dem Plateau bereitet Ulli kurz vor Einbruch der Dunkelheit unseren Platz für die Neujahrsnachttrotz des Misserfolges kann eine Feierstunde nicht schadenzurück auf Vallecitos stehen nach all den Strapazen selbst zwei Tage alte Pizzareste hoch im Kurs

Anderntags freuen wir uns wie die Waschbären über das wieder gefundene Mietauto. Obwohl wir den Weg ja mittlerweile kennen müssten - die Orientierung ist und bleibt eine Herausforderung …

Wer mehr über dieses abgelegene, dafür aber umso faszinierendere Anhängsel Mexikos wissen will oder gleich noch einen (fast) jungfräulichen Baja-Zapfen ersteigen möchte - als Kontrastprogramm unbedingt die Überschreitung des Cerro Ulrica weit unten im Süden der Halbinsel ansehen!
Hier der Trailer zum Dokumentarfilm Califias Goldinsel - Streifzüge durch das andere Kalifornien.
(31.12.2005)

Literatur: Peterson: The Baja Adventure Book, 3. Auflage. Berkeley, CA: Wilderness Press 2004. Bietet vielfältige Anregungen zu außergewöhnlichen Unternehmungen auf der Baja; beinhaltet auch Kartenskizzen über die Sierra de San Pedro Martir.
Lonely planet – Baja und Los Cabos.

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