Niederes Großwandeck, 2367 m

Klassische und taufrische Kletterträume im Süden des Gosaukammes.

Dachstein, Gosaukamm, Filzmoos, Salzburg - Oberösterreich. Zustieg 1000 Hm.

P Aualm, 5 km nördl. von Filzmoos, Mautstraße – Hofpürglhütte – Steiglpass – deutliche Steigspuren und Steinmänner erst links ansteigend ins Obere, dann von der deutlichen Schulter absteigend ins Untere Armkar und noch einmal kurz hinauf zu den diversen Einstiegen. Abstieg durch Abseilen über die Routen (Abseilpiste gleich links v. Diran-Ausstieg) oder vom Gipfel am Normalweg durch die SW-Flanke: vom letzten BH 15 m vor dem höchsten Punkt 3 m sw. (in Richtung Bischofsmütze) zu Kettenstand, 25 m senkrecht abseilen, BH, nochmals eine SL über Schrofen in gleicher Richtung abseilen; die Schutt- und Schrofenrinne queren zu gelben Markierungen, diesen auf schmalen Bändern (steiles Schrofengelände unterhalb fantastischer Gratzacken) nach W folgen bis zu neuerlichem BH: eine letzte Abseillänge durch die schluchtartige Rinne ins Schuttkar (2. und 3. Abseillänge lassen sich auch abklettern); unten etwas rechts halten, dann über eine schrofige Rampe links ins Untere Armkar und zurück zu den Einstiegen.

ÜbersichtKarteMorgenstimmung auf der Aualm: Blick gegen N (Bischofsmütze)auf dem Weg zum Steiglpass, hinten links die Hofpürglhütte

Nachdem sich im Archiv Klettern bereits eine Auswahl lohnender Unternehmungen über der Stuhlalm (Angerstein – Gamsfeldklamm) auf der Westseite des Gosaukammes finden, möchten wir euch auch noch das Untere Armkar, ein kleines, abgeschlossenes Kletterparadies im Südosten der „Salzburger Dolomiten“ vorstellen (gegen die Dolomiten haben wir nichts einzuwenden, beide Armkare liegen aber zur Gänze auf oberösterreichischem Boden). Das Revier um den Steiglpass verfügt mit der Hofpürglhütte über ein perfektes Basislager, selten zeigt das Zusammenwirken Mensch - Natur solch positive Ergebnisse wie hier. So wie die Sanierungen und perfekt abgesicherten Neutouren am Eisgrubenturm verraten auch die Routen am Niederen Großwandeck die liebevolle Handschrift des unermüdlichen Hüttenwirts Heinz Sudra und seiner Freunde. Klassische Anstiege wie den Normalweg und den SO-Grat hat er markiert bzw. sparsam, aber vernünftig abgesichert, seine modernen Sportkletterrouten an diesem Berg gehören zu den schönsten am gesamten Gosaukamm. Und was die Natur betrifft – das Verhältnis von Abgeschiedenheit und dennoch bequemer Erreichbarkeit scheint hier absolut ausgewogen, die landschaftliche Wildheit dieses Winkels braucht den Vergleich mit den Dolomiten keinesfalls zu scheuen.

Großwand, Niederes Großwandeck und Däumling von SO; links die begrünte Schwelle, die beim Übergang vom Oberen ins Untere Armkar überschritten wirddas Niedere Großwandeck mit den beschriebenen Touren

Der lotrechte Finger am Fuß des SO-Grates fällt schon von Weitem als kleiner Bruder des berühmten Däumling auf, den Einstieg zur Direkten Fingerkante, 8- (5+ A0) erreicht man nach kurzem Anstieg vom Unteren Armkar. Wir waren zu dritt unterwegs, null  Platz am 1. Stand, so elegant ist uns die Kletterei nach der eher schrofigen 2. SL nicht erschienen.

der Finger mit seinem lotrechten Kantenabbruch, rechts der Däumling mit seiner berühmten Ostkanteam Einstieg der Fingerkante (rechts)Thomas auf den ersten Meternknapp unterm 1. Stand; weiter unten kommt Ulli nachUlli das Kantengespenst

Offenbar sind wir vom gestrigen Diran (s. unten) so verwöhnt, dass wir wieder abseilen und den SO-Grat über die drei Seillängen seiner Einstiegsvariante Quo vadis, 5- angehen wollen. Vorbei an den Bohrhakenreihen von Chrysanthemes und Diran stehen wir bald an der Einstiegslasche und damit am Beginn einer sagenhaften Tour für angehende Alpinkletterer. Anfangs wähnt man sich in einer leichten Klettergartenroute in Bombenfels, der dritte Stand ist ident mit dem vierten des Diran, unmittelbar vor dem nächsten Stand quert man auf gemütlichem Band die Chrysanthemes und kann von sicherem Boden genüsslich in die viel schwereren Sportkletterjuwelen kiebitzen. Am Band wenige Schritte weiter und man steht draußen an der steilen SO-Grat-Kante, bereits oberhalb des Fingergipfels. Die anregende Gratschneide wird bis zum Gipfel nicht mehr verlassen. Als Höhepunkt überrascht hoch oben ein horizontales, nur etwa 20 cm breites Gratstück selbst abgebrühte Bergler durch außergewöhnliche Luftigkeit. Zum Abstieg s. Steckbrief und Übersichtsfoto.

Tiefblick auf die 1. SL von Quo vadisUlli klettert vom 2. Stand wegdrei wunderschöne Routen in enger Nachbarschaft verdanken wir Heinz Sudra, dem Hüttenwirt der Hofpürglhütte Ulli und Thomas passieren auf der normalen SO-Grat-Route soeben den 5. Stand der kreuzenden Chrysanthemeskurz danach haben wir die Schneide des SO-Grates erreicht; der Felshöcker hinter uns ist der FingergipfelBlick gegen den Däumlingauf der anderen Seite Armkarwand und Bischofsmützenochmals die beiden Gipfel vom Reitgrat ...... und vom Gipfel des Niederen GroßwandeckGipfelblick gegen SO (Dachstein)gegen W auf den Zackengrat zur GroßwandErich hat den Abseilstand wenige Meter vom letzten SO-Grat-Bohrhaken entdecktdie steile 1. Abseillängein gerader Linie weiter verläuft die 2. Abseillänge über schrofiges Gelände, das auch zu Fuß bewältgt werden kannnach ein paar hundert Meter annähernd horizontaler Querung auf gelb markierten Schrofenbändern erreichen wir abermals einen Bohrhaken und somit die 3. Abseillänge; auch sie kann man in leichter Kletterei überwindenein instruktiver Blick auf den Abstieg von S (Armkarwand)

Nun von den Klassikern zu den modernen Linien, die eigentlich dank der völlig angstfreien Absicherung auch schon zu Klassikern geworden sind. Die Chrysanthemes, 7+ (7- A0)sind wir vor 10 Jahren gegangen, aber vom Diran, 7+ (6+ A0)gibt’s ganz frische Fotos: abwechslungsreicher Traumfels, schöne Plattenschleicherlängen, aber auch eindrucksvoll steile Wandkletterei.

Erich in der 1. SL. von Dirandie 2. SL verspricht eindrucksvolle WandklettereiTiefblick vom 2. Stand auf Ulli ...... und auf Kletterer in den ChrysanthemesUlli kommt nach, die 4. SL ist zur Abwechslung wieder eine kompakte Eidechsellängesehr steile Wandkletterei in der 6. SLdie Chrysanthemes zur Rechten sind nicht weitUlli überlistet den Ausstiegsüberhang der 7. SLum nachfolgende Seilschaften nicht zu gefährden, hat Heinz knapp westlich der beiden Routen eine Abseilpiste eingerichtetzurück auf der Karschwelle, Blick zurück auf unseren heutigen Berg ...... und nach SO zum Dachsteinmassiv

Als Abwechslung zum Kletterprogramm auf der Hofpürglhütte können wir aus dem Archiv Bergsteigen den Steiglkogel oder die Armkarwand anbieten. Langeweile kommt auch auf diesen „moderaten“ Zapfen nicht auf; als reine Wanderberge gehen sie sicher nicht durch und die Aussicht ist einfach spektakulär. Besonders von der Armkarwand hat man die nach wie vor besorgniserregende Bergsturzzone der Bischofsmütze unmittelbar vor Augen. Die berühmte Direkte Nordwand von Willi End (verstorben 2014) gleich rechts ums Eck ist hingegen am Tag unserer Diran-Begehung sicherer geworden: Die (in mehrerlei Hinsicht) sensationelle Zusammenarbeit der Annaberger Legende Hias Schreder mit dem Linzer/Filzmooser Heinz Sudra hat uns allen die begradigte Sanierung dieses hochkarätigen Extremklassikers inklusive Abseilpiste gebracht.
(19.08.2009)

Literatur: Sudra/Herzog: Kletterführer Hofpürglhütte; erhältlich direkt auf der Hütte.
Behm/Schall/Grabner: Sportklettern Österreich, Band 1. Wien: Schall.
End, Alpenvereinsführer Dachstein. München: Rother.

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