Vom Abretter zur Hohen Fürleg
Schi-3000er über Fürther und Thüringer Hütte.
Nördl. Venedigergruppe, Salzburg/Osttirol. Aufstieg 4500 Hm.
Hollersbach im Pinzgau, 807 m – Hollersbachtal – Neue Fürther Hütte, 2201 m, Übernachtung im Winterraum. – Kratzenbergkopf, 3023 m – Seekopf, 2923 m – Viltragennöcker – Sandebentörl, 2753 m – Hinterer Abretterkopf, 2980 m – Fürther Hütte, Übernachtung. – Larmkogel, 3022 m – Gr. Weitalm (Neue Thüringer Hütte, 2212 m) – Habachscharte, 2918 m – Plattiger Habach, 3214 m – Hohe Fürleg, 3244 m – Habachkees – Habachtal – Salzachtal.
Nachdem drei Wochen zuvor unser ehrgeiziger Plan, vom Hohen Herd über den Grat nach Süden die Neue Fürther Hütte zu erreichen, den Verhältnissen zum Opfer gefallen ist, marschieren wir wieder durchs Hollersbachtal, heute aber erst am fortgeschrittenen Nachmittag. Die 10 km bis zum Talschluss ziehen sich, das Ambiente ist aber wunderschön, auch etliche Biker wollen dran teilhaben („wo wollts denn ihr mit die Schi hin?“). Zahlreiche Bäche stürzen die steilen Stufen zu Tal, gewaltig der Seebachfall, ein vollwertiger Fluss der breit gefächerte Hollersbachfall, der von Weitem wie ein Schneefeld gewirkt hat. Weiter oben, am Vordermoos der Weißeneggalm, fehlt noch der Steg des Sommerweges, knietief waten wir durch den eiskalten Hollersbach. Erst auf 1900 m können wir die Schi gebrauchen, eine halbe Stunde später freuen wir uns über den perfekten Winterraum der Fürther Hütte. So begeistert sind wir, dass wir den ursprünglichen Plan, die Begehung der sogenannten Rainer-Runde (über das Osttiroler Viltragenkees, Plattigen Habach, Neue Thüringer Hütte und Blessachkopf zurück ins Hollersbachtal) verwerfen, um noch eine Nacht hier verbringen zu können.
In aller Früh gleiten wir die 40 Hm zum Seebach hinunter, eine von zwei Schneebrücken wird zum Übergang benutzt. Sogar hier tragen wir die Schi noch ca. 100 Hm, dann folgt die lange gemütliche Querung hinauf übers Kees zur Kratzenbergscharte. Auf der Osttiroler Seite Schidepot, die südseitige Gipfelflanke und der SO-Grat des Kratzenberg, 3023 m, sind bis hinauf aper. Ein bemerkenswerter Aussichtspunkt, der uns einen instruktiven Überblick zu unserer 3-Tages-Tour über den Gschlösskamm und das Gletscherdach auf den Großvenediger verschafft.
Über den Seekopf und die sonnseitigen Viltragennöcker bringt uns eine lange Querfahrt weit hinüber unters Sandebentörl, in die Nachbarschaft der Roten Säule. Wir halten uns aber links hinauf zum oben hahnenkammartigen SW-Grat auf den Hinteren Abretterkopf, 2980 m, hoch über Hollersbachtal und Innergschlöß. Wer ausgesetzte Kletterei mit Schi am Rücken wenig schätzt, dem sei die kurze Abfahrt vom Törl und die nordseitige Querung hinauf zum kleinen Abretterkees angeraten, die kaum Zeitverlust mit sich bringt. Sitzt man einmal hoch oben auf der Schneide, sollte man den fast waagrechten Grat durchziehen, frühzeitiges Absteigen in die steile NW-Wand und Querung aufs Kees kostet ebenfalls Zeit und ist nicht ungefährlich.
Ein viel zu schnell verstreichender Genuss ist allerdings die verbleibende Traumabfahrt hinunter zur Fürther Hütte. Hier kann man – mit dem Kaffeehäferl in der Hand – stundenlang dem nächsten Ziel entgegenträumen.
Noch früherer Aufbruch als gestern, allerdings zu spät für die Schneebrücke - glücklicherweise existiert noch eine zweite in Reserve. Eine Stunde später die nächste Überraschung: Wenig unterhalb der Larmkogelscharte meldet sich vorübergehend der Winter zurück. Bei wenig Sicht kraxeln wir ohne Gepäck die knappen hundert Höhenmeter auf den nächsten Dreitausender. Der westseitige Abstieg in Richtung Neue Thüringer Hütte beschert uns noch einige ernste Momente. Wir denken schon daran, ins Habachtal abzusteigen, denn der geplante Blessachkopf mit seiner großen NO-Abfahrt ins Hollersbachtal bei schlechter Sicht stimmt uns bedenklich. Doch hundert Meter über der Hütte reißt die Bewölkung im Süden auf und Ulli präsentiert wie auf Knopfdruck die Idee der Woche:
Warum gehen wir nicht noch auf den Plattigen Habach, wenn wir schon da sind?
Also gleiten und stapfen wir hinüber zum Habachkees, dessen einladende Rampe am Fuß des rassigen Schwarzkopfes wir bald ohne nennenswerten Aufwand erreichen. Beflügelt von dem Gedanken an den ersparten üblichen Mega-Anmarsch aus dem Salzachtal ziehen wir zum Gipfel, immer die eindrucksvollen Spaltenzonen der ausgedehnten Gletschermulden vor Augen. Es bleibt sogar noch Zeit für den SO-Gipfel der Hohen Fürleg, bis es optimal aufgefirnt hat und wir bei perfektem Schnee eine der schönsten Ostalpenabfahrten erleben.
Literatur: Stadler/Philipp: Schitourenführer Hohe Tauern. Köngen: Panico 2017
Baumgartner, Leo: Schitouren II (Bildband). Klagenfurt: Carinthia 1995.
Heugl, Christian: Meine Spur. Salzburg: Rupertusverlag.