Archiv Klettern
Die Gipfel bzw. Klettergebiete sind alphabetisch aufgelistet, über die Suche kannst du deine Wünsche gezielt ansteuern. Leichte Klettereien bis zum 3. Schwierigkeitsgrad finden sich auch im Archiv Bergsteigen.
Hochschwab, 2277 m - Kl. Schwab, 2248 m. S-Wände, 3 - 8
Himmelsleitern für Zauberlehrlinge, die reif für die Insel sind.
Hochschwab, Aflenz, Steiermark. Zustieg ca. 1100 Hm + 7-10 Seillängen (ca. 250 Hm).
2 Zustiege: entweder vom Alpengasthof Bodenbauer, 884 m, 25 km nordwestl. von Kapfenberg – Trawiestal – G’hacktbrunn – Eisgruben oder vom P bei Seewiesen, 968 m, B20, 26 km nördl. v. Kapfenberg – Seetal – Voisthaler Hütte – Trawiessattel.
Gut 100 Hm nö. unter den Gipfeln das neue Schiestlhaus, in annähernd gleicher Entfernung sw. die Fleischer Biwakschachtel.
Der Hochschwab ist für die Obersteirer eine Art Pilgerberg, an schönen Wochenenden trifft man zu jeder Jahreszeit wahre Karawanen auf den vier Hauptzugängen. Bei Kletterern hat der legendäre Fels der Südwände hohen Stellenwert, auf den weit über drei Dutzend lohnenden Touren kommt es aber wegen dem verhältnismäßig langen Zustieg kaum jemals zu Stau. So unterschiedlich die Schwierigkeiten der einzelnen Routen, so verschieden auch deren Absicherungszustand. Für jeden Geschmack lässt sich das Richtige finden: plaisiermäßig eingebohrt etwa der Lufthammer, 4-6+ (5+ A0) am Kl. Schwab, gleich parallel links der berühmten Himmelsleiter, 5- (4+ A0) mit Normalhaken und Sanduhren.
Den leichtesten Weg durch diese Wandflucht (3-) konnte der blutjunge Karl Domenigg bereits im Jahre 1893 verwirklichen und damit den viel berühmteren Aspiranten Pallavicini und Zsigmondy glatt vor der Nase wegschnappen. Sein ebenfalls jugendlicher Führer aus St. Ilgen erhielt als Honorar „einen neuen Wettermantel“. Diese Pionierleistung ist auch aus heutiger Sicht keineswegs zu verachten, man sichert mit Keilen und Bandschlingen oder geht gleich seilfrei. Den St. Ilgner Weg, von Helga und Rudi Lindner 1972 mit lediglich zwei Zwischenhaken erstbegangen, hat man mittlerweile auf 5 aufgewertet. Erich hat ihn vor 20 Jahren einmal begangen und erinnert sich an einen langen Plattenquergang a la Preuß und schöne, am Hochschwab oft obligatorische Wasserrillen.
Aber auch im westlichen Wandteil unter dem Hauptgipfel finden sich eine Menge traumhafter Routen. Im Jahr 2000 sind wir dem Zauberlehrling, 4-6+ (6- A0), gerade noch rechtzeitig vor einem infernalischen Gewitter entwischt – für solche Fälle leistet die Biwakschachtel gleich hinterm Ausstieg gute Dienste. Einen absolut feinen Kompromiss zwischen sanfter Sanierung und Puls steigerndem Abenteuerklettern hat man in der Route Reif für die Insel, 6, gefunden. In den schweren Seillängen trifft man im Schnitt alle 15 m auf einen Bohrhaken, der Fels ist hier zwar absolut zuverlässig, theoretisch sind jedoch weite Flüge möglich. Fazit: eine der bedeutendsten Hochschwabrouten.
Unweit östlich der Tour befindet sich eine rot markierte Abseilpiste (Steinmann, 6 x 45 m, jeweils zwei Torstahlbügel), beschaulicher und besonders für nachfolgende Kletterer ungefährlicher ist jedoch der Abstieg zu Fuß. Falls man zum Bodenbauer möchte, ist die Besteigung des einsamen G’hacktstein, die nur wenige Minuten vom versicherten Steig weg erfordert, eine gute Idee.
Kann man noch einen Tag länger beim Bodenbauer bleiben, erwarten einen an den Festlbeilsteinen völlig andersartige, jedoch nicht minder lohnende Kletterabenteuer.
(16.08.2009)
Literatur: Gumpold/Leitinger/Behm: Hochschwab Kletterführer. Ausgewählte Kletterrouten und Klettergärten im steirischen Gebirg'; deutsch und englisch. Markt Piesting: Verlag Kletterführer Hochschwab GesbR, 2020, www.hochschwab.org
Schall: Genuss-Kletteratlas Österreich Ost, Band 2. Wien: Schall.
Auferbauer: Alpenvereinsführer Hochschwab, 3. Auflage. München: Rother 1990.
Kl. und Gr. Festlbeilstein, 1847 m. W-Kanten-Überschreitung, 5
Eine der schönsten Berggestalten des Hochschwab.
Hochschwab, St. Ilgen, Steiermark. Zustieg 850 Hm + 6 Seillängen (110 Hm).
Alpengasthof Bodenbauer, 884m, 25 km nordwestl. von Kapfenberg – Richtung Hochschwab bis vor den Bachübergang - Forststraßensystem (re-li-re-li) bis ans Ende am O-Sporn des Reidelstein – Jagdsteig bis zum oberen Rand der Lichtung – die verwachsene Wiese unterhalb der Gipfelfelsen nach rechts (Steinmänner auf Baumstümpfen, nicht links den deutlicheren Steigspuren in den Wald folgen!) und eine kurze, steile Rinne in eine Art Sattel, ab hier ist der Steig wieder gut sichtbar – knapp hinter dem Reidelstein, 1467 m, auf die Kammhöhe – Reidelsteinriedel, 1571 m – E unter der Rampe, die links zur W-Kante des Kl. Festlbeilsteins emporzieht – 3 SL auf den Gipfel, 1815 m – leichter Übergang zur Scharte am Fuß der Westkante des Gr. Festlbeilsteins – 1 SL links der steilen Kante, 1 SL geneigte Plattenkante, 1 SL Zackengrat zum Gipfel, 1847 m – Abstieg am Normalweg über den Ostgrat oder über die Abseilpiste (vom Bergrettungsstand gleich unterhalb des Gipfelkreuzes in 7 Abseillängen bis zu 25 m) an den Südwandfuß und auf Steig zurück zum Einstieg.
Wir stehen auf einem sanft geschwungenen, begrünten Dachfirst voller Bergblumen, zur Rechten blaue Kämme, zur Linken kühne Berggestalten und Wände, vor uns das Idealbild eines südamerikanischen Cerros. Kann es am Hochschwab schöner sein als in Patagonien? –
Am Reidelsteinriedel stellt sich diese Frage tatsächlich. Obwohl vom Bodenbauer bis zum Beginn des Jagdsteiges 4,5 km Forststraßen abgespult werden müssen (Abkürzer im Wald lohnen sich nicht wirklich, zu steil, zu verwachsen). Obwohl der Fels speziell am Kl. Festlbeilstein, dem ersten Teil unserer in Anbetracht des Zustieges relativ kurzen Kletterei, vielleicht nicht ganz mit den Hochschwab-Südwänden gleich gegenüber konkurrieren kann. Obwohl man die alten Rostgurken (zwischen den mittlerweile gebohrten Ständen) nicht hemmungslos belasten sollte …
Ist man bereits am Zustieg überwältigt von dieser Landschaft, so gesellt sich beim Abstieg noch tiefe Befriedigung über die spannende alpine Kletterei an diesen beiden Türmen mit ihrer reichen Geschichte und den vielen prominenten Besuchern, speziell aus der Steirer und Wiener Kletterwelt.
In den Augen der Erstersteiger des Berges (Ostgrat, 1891) erscheint dessen Westseite „absolut ungangbar“. 31 Jahre später ist es dann soweit: Der Seilschaft Gerbing – Oszkaitis gelingt die Erstbegehung der Westkante auf den Kleinen Festlbeilstein, vom Seilzweiten existiert ein Bericht darüber:
… schlichen wir auf geheimen Zugängen hinauf in die Almregion … die leichte Gangbarkeit verliert sich nach wenigen Metern … rechts in der plattigen Südwand ist so wenig zu machen wie in der ins Leere abbrechenden Nordwand … auf einem kleinen Tritt der Kante ruht man auf einem Fuß, wie ein Vogel, von der Anstrengung. An drei Seiten nur Luft … von mir notdürftig gesichert, versucht mein Gefährte einen Haken in eine Fuge zu treiben, aber vergeblich, der eisenfeste Fels lässt sich nirgends erweichen, und ganz krummgeschlagen wandert der Haken in den Rucksack zurück …
In Strümpfen gelingt es Rudolf Gerbing schließlich, die glatte Verschneidung der 3. Seillänge zu überlisten (man kann getrost von einer 5er-Stelle sprechen), im Hochschwab ist ein neuer Schwierigkeitsgrad eröffnet.
Genau 10 Jahre später wird auch die Fortsetzung der Überschreitung, die Westkante auf den Gr. Festlbeilstein erstmals geklettert – eine sogar nach heutigen Gesichtspunkten durchaus elegante Sache. Von ganz oben grinst nur halb eingeschlagenes, suizidomanes Alteisen aus einem unverschämt geschlossenen Riss herunter. Erst kurz vorher sieht man rechts zur glatten Kante hin eine glänzende Bohrhakenlasche (bislang der einzige moderne Zwischenhaken der Tour), der Ausstieg nach dieser Seite ist genial und viel leichter als es aussieht. Unglaublich der Standplatz mit seinem Ausblick nach Norden; geneigt, aber wunderschön glatt und ausgesetzt die folgende leichte Länge, die uns an die Roggalkante im Lechquellengebirge erinnert; und das letzte, beinahe horizontale Stück zum Gipfelkreuz – Kletterei wie auf einem Hahnenkamm im Granit der Zentralalpen.
Über die neue Abseilpiste (2005) schweben wir wieder in die klettertechnische Gegenwart, spulen uns im Rückwärtsgang durch Schinkos neue Welt, 8 (7+ A0) und Up and down, 7+ (7 A0) aus der Jahrtausendwende. Nur wenige Meter daneben schob sich bereits 1934 das Grazer Klettergenie Schinko mit Bischofberger und Neureiter durch dieses steilste Gewänd …
Literatur: Gumpold/Leitinger/Behm: Hochschwab Kletterführer. Ausgewählte Kletterrouten und Klettergärten im steirischen Gebirg'; deutsch und englisch. Markt Piesting: Verlag Kletterführer Hochschwab GesbR, 2020, www.hochschwab.org
Schall: Genuss-Kletteratlas Österreich Ost, Band 2. Wien: Schall.
Auferbauer: Alpenvereinsführer Hochschwab, 3. Auflage. München: Rother 1990.
Hochgang, 1945 m. N-Wand „Gordis Magic Line“, 6
Felsabenteuer überm Weittal.
Hochschwab, Salzatal, Gschöder, Steiermark. Zustieg 750 Hm + 15 Seillängen (550 Hm).
P Kanlergrabenbrücke, Salzatalbundesstraße zwischen Wildalpen und Weichselboden - Forststraße und Jagdsteig Kanlergraben - Weittal - N-Wand auf den Hochgang Hauptgipfel - Abstieg S-Flanke in den Kellerbrunn - Weittal (zwei Steilstufen abzuklettern, 2) - Kanlergraben.
Die beträchtlichen Nordabstürze des Hochschwab zum entlegenen Salzatal sind vom Ufer dieses großartigen, besonders bei Kanuten beliebten Wildflusses kaum zu erahnen. Verwinkelte Gräben und schwer zu ersteigende Felsaufbauten wie Mieskogel oder Gamsmutter schirmen den Blick auf die dahinter liegenden hohen, kompakten Wände des Hochgang ab. Beim Zustieg durch den Kanlergraben hat man das Gefühl, auf dem Weg hinter die Sieben Berge zu sein; der uralte Jagdsteig wird durch die „Magic Line“ jedoch wieder aus seinem Dornröschenschlaf geküsst. Aus dem überraschend wildromantischen Weittal schlüpft man dann endlich auf einer Schrofenrampe durchs letzte Bollwerk schräg rechts auf eine bewachsene Schulter; von dort nicht weiter die Wildspuren hinauf (die führen zu den älteren Nordwandrouten), sondern kurz absteigen und horizontal geschätzte 100 m weiterqueren zum Einstieg unter den weitläufigen Plattenschüssen.
Zu Beginn wähnt man sich in einer Plaisirroute, ab der 8. Seillänge muss man fester zupacken und die Hakenabstände erscheinen gleich weiter. Die 10. und 11. Seillänge bilden das Glanzstück der Route in perfekten, kompakten Wasserrillen, ab dem Buchstand (Routenbuch leider total durchweicht) verlieren sich die restlichen beiden kurzen Längen etwas in beliebigem Gelände. Wir wollten in die Sonne und sind kurz nach dem Stand rechts über die niedrigste Stelle des Wandgürtels (wenige Meter 3) hinaus auf die Schrofen und hinter dem Latschenkamm über die flache Wiese zum kleinen Gipfelkreuz.
Wer den Abstieg noch nicht kennt, dem steht noch eine zusätzliche Überraschung bevor: Das Weittal zählt sicher zu den landschaftlich wildesten Schläuchen nicht nur im Hochschwab. Über unglaubliche Schottermassen zwischen senkrechten Türmen und Wänden gelangen wir schnell tiefer, die beiden seilfreien Unterbrechungsstellen können manchem Plaisirkletterer on sight das Gruseln lehren - dass es hier noch keine Abseilhaken gibt, würzt das Unternehmen mit einer zusätzlichen Dimension. Insgesamt ein herrliches Hochschwab-Abenteuer für Individualisten.
Im Antengraben gleich ums Eck steht der Glückspilz am Schönberg.
Literatur: Gumpold/Leitinger/Behm: Hochschwab Kletterführer. Ausgewählte Kletterrouten und Klettergärten im steirischen Gebirg'; deutsch und englisch. Markt Piesting: Verlag Kletterführer Hochschwab GesbR, 2020, www.hochschwab.org
für die klassischen Touren in der Nachbarschaft: Auferbauer: AV-Führer Hochschwab. München: Rother.